Kommentar zum Rücktritt von Mattis Trump im freien Fall

Meinung · Verteidigungsminister James Mattis nutzt seinen Rücktritt zur General-Abrechnung mit einem amtsunfähigen Präsidenten. Mattis will nicht länger Komplize sein, schreibt Korrespondent Dirk Hautkapp.

Vor einem Jahr sagte der republikanische Senator Bob Corker, Amerika habe es vor allem vier Männern zu verdanken, dass die irrlichternde Präsidentschaft Donald Trumps die Welt bislang nicht vollends ins Chaos gestürzt hat: Außenminister Rex Tillerson, Sicherheitsberater H.R. McMaster, Stabschef John Kelly und Verteidigungsminister James Mattis.

Dem Quartett, oft als die „Achse der Erwachsenen“ im Weißen Haus bezeichnet, wurde die Fähigkeit zugeschrieben, den zu unberechenbaren Alleingängen tendierenden Präsidenten außenpolitisch einzuhegen. Die Dompteure Tillerson, McMaster, Kelly sind bereits am Ego Trumps zerschellt und geschasst worden. Mit Mattis hat nun der letzte „Mohikaner“ das sinkende Schiff verlassen. Aus Selbstrespekt. Und maßloser Enttäuschung über einen Commander-in-Chief, der am Ende des zweiten Amtsjahres zu einer veritablen Bedrohung für die Weltordnung geworden ist.

Zwei Tropfen haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Um von innenpolitischen Brandherden wie der Russland-Affäre abzulenken, hat Trump aus dem Bauch heraus und ohne vorherige Konsultation den Abzug der US-Truppen aus Syrien verfügt, damit Russlands Präsident Putin und Diktator Assad einen Sieg beschert und die Amerika bis dato treu ergebenen syrischen Kurden de facto dem Schlachtermesser des türkischen Despoten Erdogan ausliefert.

Auf dem Fuße folgte Trumps hemdsärmliger Wink, nach 17 Jahren Krieg den militärischen Fußabdruck Amerikas auch in Afghanistan drastisch zu verkleinern. Dort, wo die Regierung Ghani im Chaos versinkt und die Taliban trotz stark erhöhter Luftangriffe der USA und ihrer Alliierten immer mehr Geländegewinne erzielen.

In beiden Entscheidungen, symptomatisch für Trumps Faible zu Isolationismus, liegt für James Mattis die Saat für neuen Terror 'a la 11. September 2001 und neue geopolitische Verwerfungen. Unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten also. Aber das nur die Oberfläche. Wer das Rücktrittsschreiben des belesenen Intellektuellen in Uniform aufmerksam liest, stößt zwischen den Zeilen auf einen Hilferuf an die Öffentlichkeit und die Trump (noch) stützenden Republikaner.

Der über alle Parteigrenzen hinweg respektierte Mattis hatte dem Präsidenten im Konflikt um Nordkorea nach Recherchen des Enthüllungs-Journalisten Bob Woodward intern einmal die Auffassungsgabe und das Verhalten eines „Fünft- oder Sechstklässlers“ bescheinigt. Jetzt geht der Vier-Sterne-General noch einen Schritt weiter: Er hält Trump für absolut beratungsresistent und amtsunfähig.

Übersetzt sagt er: Anstatt Verbündete mit Respekt und Verlässlichkeit zu behandeln und Amerikas strategischen Widersachern Moskau und Peking „scharfsichtig“ zu begegnen, läuft der Präsident - Siehe Russland, China, Nordkorea, Saudi-Arabien, Iran-Abkommen, Nato - mit der Kerosin-Kanne zwischen den weltpolitischen Brandherden umher. Alles, um einer für populistische Augenwischerei noch immer empfänglichen Wählerklientel zu gefallen. Mattis will hier nicht länger Komplize sein.

Die Kapitulation des hoch dekorierten Militärs, der sich bis zum Schluss als einziges Kabinettsmitglied Lobhudeleien und Ergebenheitsadressen in Richtung Trump versagte, ist alarmierend. Mit seinem Abgang fällt das letzte stabilisierende, eigenständig denkende Element einer Regierung weg, die sich in einer gefährlichen Abwärtsspirale befindet. James Mattis war es, der seit zwei Jahren im Stile einer Putzkolonne unermüdlich durch die Welt jettete, um die Trümmer wegzuräumen, die Trump mit seinen Twitter-Kanonen regelmäßig hinterlässt. Sein Rücktritt wird vor allem in der Nato erneut Zweifel an der Zuverlässigkeit des Beistandsversprechens der USA auslösen.

Für die Republikaner ist die Personalie Mattis der vielleicht letzte Weckruf. Wenn sie jetzt nicht dem außer Kontrolle geratenen Trump in den Arm fallen, ist die nächste Eskalationsstufe nicht mehr weit. Amerikas Präsident, man darf das nie vergessen, hat die Befehlsgewalt über das größte Atomwaffen-Arsenal der Erde.

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