Attentäter in türkischen Islamisten-Kreisen vermutet Suche nach den Hintermännern

BANGKOK · Es sind nur ein paar hundert Meter von der Stelle neben dem Erawan-Schrein in Bangkok, an der am Montagabend mitten im Feierabendverkehr eine Bombe mindestens 20 Menschen zerfetzte und über 100 Verletzte forderte. Aber die rund 1000 Thailänder, die geduldig vor dem Blutspendezentrum des Roten Kreuzes warten, lassen sich nicht beirren. Ihre tief verwurzelte Hilfsbereitschaft ist stärker, obwohl die Furcht vor einem neuen Anschlag tief in ihren Knochen steckt.

 Sprengstoffexperten sammeln nach einer zweiten Explosion gestern in Bangkok Fragmente der Rohrbombe.

Sprengstoffexperten sammeln nach einer zweiten Explosion gestern in Bangkok Fragmente der Rohrbombe.

Foto: DPA

Bangkoks Schulen blieben gestern aus Sicherheitsgründen geschlossen. Am Nachmittag zeigte sich, wie klug die Entscheidung war. Ein Unbekannter warf eine weitere Rohrbombe auf das Saphan Thaksin Pier am Chaopraya Fluss, das von vielen Touristen benutzt wird. Die Explosion forderte zwar keine Verletzten, verursachte aber neue Panik in der Millionenmetropole.

Zumal ein nervöser General Prayuth Chan-ocha, der vor seinem Putsch im Mai des vergangenen Jahres seine Karriere weitgehend im Palast von Königin Sirikit verbrachte, alles andere als eine beruhigende Figur machte.

In einer eilig anberaumten, fünfminütigen Fernsehansprache rief er die Thailänder auf, ihre Einigkeit zu wahren und sich nicht durch Spekulationen in den sozialen Medien verunsichern zu lassen.

Schon am Morgen hatte er behauptet, man habe einen Verdächtigen identifiziert. "Er gehört zu einer kleinen Gruppe von Leuten im Nordosten Thailands, die immer noch der Nation schaden wollen", erklärte der offenbar nicht gerade krisenfeste General, "es gibt nicht viele. Aber wir suchen den Mann gerade."

Ein junger Mann im gelben T-Shirt wird verdächtigt

Die Regierung verbreitete das Foto eines jüngeren Mannes, der in gelbem T-Shirt und mit Badeschlappen zunächst mit einem Rucksack und später ohne Rucksack gefilmt wurde. Er wird nun verdächtigt, die mit rund drei Kilogramm TNT-Sprengstoff gefüllte Rohrbombe vor dem Erawan-Schrein abgelegt zu haben.

Nicht nur viele Thailänder reagierten skeptisch auf die schnelle und vor allem politisch opportune Darstellung. "Thailands Angaben kann man nicht trauen", sagte ein Diplomat, "sie werden die Angelegenheit so drehen, wie es ihnen passt." Tatsächlich scheinen nach Informationen dieser Zeitung nicht einmal die eigenen Militärs Junta-Chef Prayuth zu glauben.

Der scheidende Armeechef General Udomdej Sitabutr sprach von einem "arabisch aussehenden Verdächtigen". "Wir glauben, das es sich bei den Tätern um türkische Dschihadisten (Heilige Krieger) handeln könnte, die Vergeltung für die Abschiebung von 109 Uiguren nach China durch Thailand üben wollen", heißt es in informierten Kreisen, "die Auswahl des Erawan-Schreins mit seinen vielen Touristen gerade aus China deutet ebenfalls darauf hin." Es wäre einfach für die Täter gewesen, nach Thailand einzureisen.

Vergeltungsschlag für abgeschobene Uiguren?

Thailands Militärs hatten vor einigen Monaten in einer Nacht- und Nebelaktion 109 Uiguren an China übergeben, die gemeinsam mit Frauen und Kindern über Thailand illegal nach Malaysia unterwegs waren. Die Köpfe der Männer wurden auf dem Flug nach China in Tüten ohne Sehschlitze gesteckt. Die Frauen und Kinder schickte Bangkok in die Türkei.

Im Gegensatz zum Nachbarland Malaysia und Indonesien kümmerten Thailands Militärs sich während der vergangenen Jahre lieber um die interne Politik und vernachlässigten trotz einer islamischen Separatistenbewegung im Süden des Königreichs die nachrichtendienstliche Kontrolle von Verbindungen in den Nahen Osten.

"Die sind völlig hilflos", schilderte ein Experte in Bangkok die Lage bei Prayuth und seinen Offizieren. In ersten Reaktionen hatte auch die Volksrepublik China den Verdacht geäußert, dass islamistische Freunde der Uiguren im Westen Chinas hinter der blutigen Attacke im Herz von Bangkok stecken könnten.

Bislang besteht keine Gewissheit über die Hintermänner der Terrorattacke. Aber wirtschaftlich droht nun der einzige Lichtblick von Thailands leidender Ökonomie ausgelöscht zu werden. Im ersten Halbjahr dieses Jahres kamen rund vier Millionen Urlauber aus China - mehr als die doppelte Menge als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Laut Thailands Tourismusbehörde gaben sie zudem mehr Geld aus als früher.

Dieser wichtige Geldstrom dürfte nun zumindest einige Monate lang versiegen. Gleichzeitig schrumpfen die Ausfuhren wegen struktureller Probleme beim Elektronikexport. Auch die Landwirtschaft leidet unter niedrigen Preisen, durch das Wetter verursachte Probleme und wegen politischer Fehlentscheidungen. General Prayuth höchstpersönlich untersagte per Regierungsanordnung eine zweite Reisernte.

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