Das Jahr des Rüpels Stichworte zu einem historischen US-Wahlkampf

Washington · Im US-Wahlkampf gilt nichts mehr, was sonst galt. Die politischen Zentrifugalkräfte wirken diesmal völlig anders, das liegt vor allem an Donald Trump. Ein Rückblick in Stichworten.

 Donald Trump sorgte im Wahlkampf für einige negative Schlagzeilen.

Donald Trump sorgte im Wahlkampf für einige negative Schlagzeilen.

Foto: dpa

Vielleicht fing es in dem Moment an, als er seinen Fuß auf die Rolltreppe setzte. Vielleicht schon vorher. Aber die Sache mit der Rolltreppe, das war schon anders als sonst. Protziger irgendwie, so wie eben alles eine Nummer größer ist, was Donald Trump macht. Selbst der Beginn seines Wahlkampfes.

Am 15. Juni stieg der Unternehmer in Manhattan auf diese Rolltreppe, fuhr hinunter, kam den Kameras und den Menschen langsam immer näher. Er schickte sich an, Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden. Es war der Anfang eines Wahljahres, in dem nichts ist wie sonst, weil nichts mehr Gültigkeit hat. Am Ende hat Amerika mit Hillary Clinton und Donald Trump die Wahl zwischen zwei Kandidaten, die polarisieren wie nie zuvor. Eine Annäherung in Stichworten:

Achterbahnfahrt

Der Wahlkampf gleicht einem Auf und Ab, ein Dazwischen gibt es nicht. Es sah gut aus für Clinton - bis die E-Mail-Affäre sie am Freitag wieder einholte und zum alles beherrschenden Thema wurde. Nachrichten, die einen ganzen Monat füllen könnten, füllen ein Wochenende. Vor ein paar Wochen noch sah es wiederum gut aus für Trump - bis ein Video aus dem Jahr 2005 auftauchte, in dem er mit frauenverachtenenden Kommentaren prahlt. Auch diese Nachricht platzte in einen Freitag.

Loblied und Abgesang

Wenn Clinton und Trump über die USA sprechen, klingt es, als redeten sie nicht über dasselbe Land. Trumps Zustandsbeschreibung ist düster, er skizziert Amerika als gesetzlose Nation im Niedergang. Die Wirtschaft marode, die Kriminalität auf einem Allzeithoch, die Bedrohung durch Terroristen immens. Die „Washington Post“ schrieb im Juli, der Republikaner klinge wie ein Präsident, der das Land auf einen Krieg einschwöre. Clintons Bild der Gesellschaft ist ungleich optimistischer. Die Demokratin deutet Trumps Wahlkampfslogan um und sagt, Amerika stehe so gut da wie noch nie, man müsse das Land nicht erst großartig machen, weil es immer schon großartig gewesen sei.

Tabubrüche

Kaum eine Woche vergeht ohne neuen Eklat. Trump machte sich über einen Behinderten lustig, er verhöhnte die Eltern eines toten Soldaten, er brachte Gewalt gegen seine Konkurrentin ins Spiel. Immer kam danach die Frage auf, ob er diesmal zu weit gegangen sei. Immer ging er noch weiter. Einem Skandal folgt normalerweise die öffentliche Schelte, die Reue seines Verursachers und meist eine Kurskorrektur. Nicht so bei Trump. Der Affront ist Teil seines Markenkerns.

Verrohung

Trump ist der fleischgewordene Internettroll, die Personifizierung des „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Kommentars. Er will der politischen Korrektheit ein Ende setzen, tatsächlich trägt er dazu bei, dass rassistische Parolen salonfähig werden. Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Sprache in diesem Wahlkampf gewalttätiger und hasserfüllter sei als in früheren Jahren, meint Heidi Beirich von der Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center. „In der Vergangenheit haben rassistische Extremisten einen Bogen um beide Parteien gemacht, weil sie ihre Ideen nicht vom Mainstream repräsentiert sahen.“ Von Trumps Aufstieg fühlten sie sich bestärkt.

Inhaltsleere

Der Wahlkampf kreist weitgehend um Oberflächlichkeiten. So beschränkt sich die außenpolitische Diskussion auf die Frage, ob Trump geeignet sei, Oberbefehlshaber zu sein, wie die „New York Times“ anmerkte. Eine tiefgründige Debatte über ihre Ideen liefern sich die Kandidaten nicht, zu sehr sind sie mit persönlichen Angriffen beschäftigt. Wenn es dann doch um Konzepte geht, flüchtet sich Trump in Sprechblasen. Er will den Islamischen Staat besiegen, indem er ihn zerstört. Er will die Arbeitslosigkeit bekämpfen, indem er Arbeitsplätze schafft. Das „Wie“ spielt keine Rolle. Clinton verfügt über einen viel größeren Erfahrungsschatz und Detailkenntnisse. Das ging aber lange unter.

Medienzirkus

Nie war die Aufmerksamkeit für einen Kandidaten so hoch. Trump läuft in Dauerschleife. Im April freute sich CNN über den ersten Samstag ohne Auftritt des Milliardärs seit Ende November, zeigte dann aber doch einige Sekunden einer Rede. Im Mai berichteten mehrere Sender live, als sein Flugzeug Washington verließ. Fehltritte aus seiner Vergangenheit spielten erst nach und nach eine Rolle.

Abschirmung

Dem immensen Interesse steht ein restriktiver Umgang der Kandidaten mit Journalisten gegenüber. Clinton gab über Monate überhaupt keine Pressekonferenz und nur selten Interviews. Das änderte sie im September. Trumps Begegnungen mit Journalisten geraten zu Showveranstaltungen, Fragen schmettert er ab. Bei seinen Wahlveranstaltungen müssen Reporter in abgesperrten Bereichen stehen, unliebsamen Journalisten wird die Akkreditierung entzogen. Er zerlegt das Interview in klassischer Form, behauptet einfach immer weiter, was er will, auch wenn er längst der Lüge überführt ist.

Twitterstürme

Es beginnt meist mitten in der Nacht, oft klingt er wütend. Trump greift zu seinem Handy und setzt einen bösen Tweet nach dem anderen ab. Er beschimpft Medien, demütigt Gegner. Anfang des Monats traf es eine ehemalige Schönheitskönigin. Als Clinton fragte, wer bitte um drei Uhr nachts aufstehe, um einen Twitter-Krieg gegen eine Frau anzuzetteln, entgegnete der Republikaner, das zeige den Wählern, dass er auch nachts einsatzbereit sei.

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