Kommentar zur Nahost-Reise des Bundespräsidenten Steinmeiers Mission

Meinung | RAMALLAH · Steinmeier hat bei seinem Besuch in Israel an einem kleinen Fenster der Gelegenheit zumindest den Vorhang zur Seite gezogen, sagt GA-Korrespondent Holger Möhle.

Eine Aussprache unter Freunden hat noch meistens geholfen. Und ein Besuch bei den Nachbarn der Freunde auch. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ausgestattet mit den jahrelangen Weihen eines Außenministers, hat seinen Besuch in Israel und den palästinensischen Gebieten für eine Vermittlung genutzt. Nach zwei Seiten.

Zum einen mit Israel, denn die deutsch-israelischen Beziehungen werden den jüngsten Eklat nach dem Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel überstehen. Steinmeier machte in Israel deutlich, dass sich kein Vertreter der Bundesregierung, erst recht nicht das deutsche Staatsoberhaupt, im Ausland vorschreiben lassen kann, welche Gesprächspartner gewissermaßen legitim sind.

Der Bundespräsident reagierte auf seine Art: Er umging ein Treffen mit regierungskritischen Organisationen, traf sich dafür aber mit den Schriftstellern David Grossmann und Amos Oz, die gleichfalls die aggressive Siedlungspolitik der israelischen Regierung kritisieren. Es geht also, wobei Steinmeier den Vorteil hat, dass er als Bundespräsident nicht mehr den operativen Zwängen der Außenpolitik unterliegt.

Steinmeier traf den Ton, den Benjamin Netanjahu versteht: keine Sprechverbote für niemanden, gerade weil Deutschland und Israel mit ihrer besonderen gemeinsamen Geschichte ihre Freundschaft nicht riskieren dürfen. Denn der deutsch-israelische Dissens zwischen Netanjahu und Gabriel ist auch eine Chance. Man kann die besonderen Beziehungen beider Staaten noch einmal auf eine neue Qualitätsebene heben. Krisen können stark machen, wenn man sie nur richtig liest.

Und zum anderen reist der Bundespräsident natürlich nicht in eine besonders kritische Zone des Nahen Ostens, ohne in den palästinensischen Gebieten zu stoppen. Falls es eine Chance geben sollte, die unterbrochenen Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern über eine von beiden Seiten akzeptierte gemeinsame Zukunft wieder anzustoßen, muss man sie nutzen.

Steinmeier, erklärter Freund einer Zwei-Staaten-Lösung, machte auf beiden Seiten deutlich, dass sie eines Tages hoffentlich doch noch friedlich miteinander leben werden. Der ewige Verweis auf Geschichte und die Hoheit des heiligen Bodens, über den Israelis und Palästinenser seit Jahrzehnten streiten, hat bislang keine Lösung gebracht. Das zeigt der Blick zurück, auch weil Extremisten und Hardliner beider Seiten unverändert ein Interesse haben, eine Aussöhnung zu torpedieren.

Deutschland genießt in der Region hohes Ansehen. Steinmeier ist ein international anerkannter Vermittler, auch wenn dies als Staatsoberhaupt nicht mehr seine Rolle ist. Einen Draht für einen möglichen Wiedereinstieg in solche Gespräche zu legen, war noch niemals ein Fehler. Steinmeier hat an einem kleinen Fenster der Gelegenheit zumindest den Vorhang zur Seite gezogen.

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