Viel Bewegung So laufen die Brexit-Verhandlungen in Brüssel

Brüssel · Die Brexit-Verhandlungen kommen voran - Brüssel und London steuern auf eine Einigung zu. Bis zum EU-Sondergipfel nächste Woche sollen Lösungen vorliegen.

 Theresa May, Premierministerin von Großbritannien.

Theresa May, Premierministerin von Großbritannien.

Foto: dpa

Günther Oettinger ist für seine ungewöhnlichen politischen Analysen bekannt. Der deutsche EU-Haushaltskommissar griff in dieser Woche in Brüssel zu einem ungewöhnlichen Appell in Sachen Brexit. „Mehr Rückgrat“ empfahl er der britischen Premierministerin Theresa May. Nachdem sie den Parteitag ihrer Tories überlebt habe, ohne gestürzt worden zu sein, solle sie „das Momentum“ nutzen.

Der Aufruf wäre nicht notwendig gewesen. Tatsächlich bewegt sich etwas in den festgefahrenen Brexit-Verhandlungen. 80 bis 85 Prozent des Austrittsabkommens seien ausgehandelt, erklärte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Mittwoch.

Ein positives Signal beim Sondertreffen der EU-Staats- und Regierungschefs mit May Mitte kommender Woche sei durchaus denkbar. „Es gibt keine Einigung, aber wir verhandeln ernsthaft“, ließ ein hochrangiger EU-Diplomat durchblicken, der an den Gesprächen beteiligt ist. Darauf deuten auch andere Signale hin: Ende vergangener Woche weilte Irlands Premier Leo Varadkar in Brüssel. Am Dienstag war Arlene Foster gekommen, die Chefin der nordirischen DUP, auf deren Stimmen May im Parlament angewiesen ist. Von einer „neuen Dynamik“ ist die Rede.

Vermutlich auch deshalb stoppte die EU-Kommission Mitte dieser Woche die Veröffentlichung eines Berichts über die möglichen katastrophalen Folgen eines Brexits ohne Deal mit London. Man wollte die behutsamen Schritte nicht Drohungen belasten. Dabei gibt es mehrere Knackpunkte, für die Kompromisse schwierig scheinen. Größtes Problem ist weiter die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der nordirischen Provinz Nordirland gestaltet werden soll. Denn „hart“ darf die Trennung nicht sein, um den Frieden in der Region nicht zu gefährden.

Die EU denkt nun daran, Nordirland in einer Zollunion mit der Union zu lassen. Dort würden die Binnenmarktregeln weiter gelten. Das erfordert allerdings Waren- und Zollkontrollen zwischen der Provinz und dem übrigen Königreich, die man – so eine neue Idee – online per Internet vorab absolvieren könnte, so dass faktisch keine Grenze nötig wäre. Genau das geschieht bereits beim Handel mit Schlachtvieh.

Doch DUP-Chefin Foster wies diesen Vorstoß in Brüssel strikt zurück. Neuer Anlauf der EU-Unterhändler: Dann könne Großbritannien auch vollständig in der Zollunion bleiben, bis man ein Freihandelsabkommen nach dem Modell Kanada abgeschlossen habe. Das lehnte wiederum der britische Brexit-Minister Dominic Raab ab. Es würde verhindern, wovon die Brexit-Befürworter träumen: viele attraktive Freihandelsbeziehungen der Insel mit der übrigen Welt.

Sollte der EU-Sondergipfel in der nächsten Woche keinen Durchbruch bringen, so erhofft man sich wenigstens ein positives Signal. Die EU scheint bereit, dann ein weiteres Spitzentreffen im November einzuberufen, auf dem dann der Brexit-Vertrag unterschrieben werden könnte.

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