Kommentar zum Kampf gegen den Klimawandel Signal aus der Mitte

Meinung | Bonn · Mit ihrem Treffen und den damit verbundenen Forderungen setzen die Bürgermeister und Konzernchefs ein Signal an die Regierungen in Sachen Klimaschutz. Es ist längst an der Zeit, sich von nationalem Vorteilsdenken zu verabschieden, meint GA-Redakteur Wolfgang Wiedlich.

Mit dem menschengemachten Klimawandel hat sich ein politisches Monster vor den Staaten aufgetürmt, das auch höchste Diplomatenkunst seit mehr als 20 Jahren nicht gebändigt bekommt. Stets vergeht ein ganzes Jahr, bis sich die Vertreter von 195 Staaten wieder auf einem UN-Klimagipfel treffen, um einen Trippelschritt als einen „in die richtige Richtung“ zu feiern. Der Misserfolg zeigt sich in einer einzigen Zahl: Sie zeigt den Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre an. Und dieser Wert steigt von Jahr zu Jahr. Deshalb gab es immer auch schon Warner, die eine Lösung des Klimaproblems auf UN-Ebene, wo jede Nation maximal egoistisch unterwegs ist, als illusorisch betrachteten.

Aber wer soll auf welcher Ebene dann die Rettung einleiten? „Von oben“ wird in der Klimakrise krampfhaft an fossilen Energien festgehalten, die in diese Krise geführt haben – eine absurde Mechanik, die gerade für Empörungswellen rund um den Hambacher Forst sorgt. Bleibt als potenzieller Retter die Zivilgesellschaft, aber die kann keine klimafreundlichen Autos bauen, und erst recht lässt sich „von unten“ nicht die Stromproduktion hinter der Steckdose organisieren.

Am vergangenen Wochenende sendete die mittlere Ebene – Städte, Regionen, Unternehmen – starke Signale aus San Francisco. Retten also Bürgermeister die Ballungsräume der Erde vor schmelzendem Asphalt und vielen Kreislauftoten? Jedenfalls strotzte der informelle Gipfel nur so vor Tatendrang. Werden die angekündigten Stadt-Projekte umgesetzt, ließe sich der Effekt auch in der Atmosphäre messen – so dominant ist diese Siedlungsform, die einmal als Horde begann und heute „Megacity“ heißt.

Regierungen zum Handeln zwingen

Gleichwohl ist die große Transformation in ein kohlenstofffreies Energie-Zeitalter kaum von Bürgermeistern und engagierten Bürgern zu leisten. Sie können aber Druck ausüben und ihre Regierungen zwingen, den eigenen Horizont über die Legislaturperiode hinaus zu weiten. Tatsächlich erfordert das Klimaproblem aber noch viel mehr, nämlich die lebensfreundliche planetare Atmosphäre als Voraussetzung für globales Gemeinwohl zu betrachten, von dem auch der eigene Staat abhängt. Das hört sich einfach an, erfordert aber ein radikales Umdenken und den Verzicht auf kurzfristige nationale Vorteile.

Weil das bisher nicht gelingt, sind die UN als Lösungsebene nicht obsolet. Das Signal der Städte ist eines von frühzeitig und unmittelbar Betroffenen. Wenn der Klimawandel erst ganze Staaten in Schräglage schiebt, käme ein Bewusstseinswandel zu spät. Aus Sicht der menschlichen Risikowahrnehmung arbeitet das Klimasystem geradezu perfide: Es reagiert erst nach Jahrzehnten einer Verhaltensänderung auf der Erdoberfläche. Den Erfolg politischen Handelns im Heute streichen also erst die Machthaber von übermorgen ein. Auch darüber wird zu selten gesprochen.

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