Rücktritte in London Schatzkanzler Javid tritt nach Machtkampf zurück

London · Schatzkanzler Javid tritt im Streit mit Premier Johnson zurück. Weitere Minister müssen gehen. Experten sehen dahinter die Handschrift des umstrittenen Dominic Cummings, engster Berater von Boris Johnson.

 Boris Johnson (l.) umarmt Sajid Javid beim Besuch einer Produktionsstätte der Firma JCB während des Wahlkampfs.

Boris Johnson (l.) umarmt Sajid Javid beim Besuch einer Produktionsstätte der Firma JCB während des Wahlkampfs.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Erwartet hatten Beobachter von Premierminister Boris Johnson eine milde Regierungsumbildung. Und so begann der Donnerstag mit kleineren Änderungen im Kabinett auch kaum überraschend. Am Mittag dann kam es zur Überraschung: Schatzkanzler Sajid Javid trat von seinem Amt zurück. Der bisherige Staatssekretär Rishi Sunak wurde daraufhin zum neuen Finanzminister ernannt. Er hält im Königreich den wichtigsten Posten nach dem Premier. Es ist das Ende eines Machtkampfes zwischen den Politikern Johnson und Javid, den dieser am Ende verlor.

Dabei galt Javid nicht nur als Experte in Sachen Staatsfinanzen, sondern in der Vergangenheit auch als Vertrauter von Johnson. Was war passiert? Offenbar drängte der Regierungschef seinen Schatzkanzler dazu, dessen komplettes Team von Beratern zu entlassen und durch Vertraute aus der Downing Street Nummer zehn zu ersetzen. Aus Protest gegen die Forderungen und Loyalität zu seinen Mitarbeitern legte Javid sein Amt nieder.

Insider erkannten hinter dem autoritär anmutenden Schachzug sofort die Handschrift von Dominic Cummings, Johnsons engstem Berater. Der einflussreiche Beamte war der Architekt der Referendumskampagne, die 2016 erfolgreich für den Brexit getrommelt hatte. Als Johnson im vergangenen Jahr in die Downing Street zog, machte er Cummings zum Chefstrategen. Doch der mächtigste Mann hinter der Regierungsfassade ist umstritten, nicht nur wegen seines kompromiss- und skrupellosen Führungsstils, den sich, so scheint es, auch Johnson zu eigen gemacht hat.

Spione gegen Minister eingesetzt

So will der Politberater etwa den Beamtenapparat und die Organisation in den Ministerien umstrukturieren. Einen bedeutenden Schritt in diese Richtung machte Cummings am Donnerstag. Künftig sollen die wichtigen Berater um den Premier und jene des Schatzkanzlers von einer Hand geführt werden. Der Chef dieses politischen Beraterstabs heißt natürlich: Dominic Cummings.

Bereits in den vergangenen Wochen sorgten mehrere Ereignisse auf der Insel für Aufsehen. Auf Anweisung Johnsons sollen Regierungsmitglieder nicht mehr in bestimmten Sendungen auftreten. Darunter befinden sich auch politische Flaggschiff-Programme der BBC. Eine Ansage, die von Cummings stammt: Wer Details aus den Ministerien an Journalisten verrät, wird gefeuert. Aber damit nicht genug. Der Berater hat laut Medienberichten ein „Netz aus Spionen“ darauf angesetzt, Kontakte von Regierungsmitarbeitern zur Presse aufzudecken. Als Tiefpunkt betrachteten viele Beobachter den Zwischenfall kurz vor einem Briefing von politischen Journalisten in der Downing Street, als Johnsons Kommunikationschef einigen Pressevertretern ohne Begründung die Teilnahme an dem Termin verwehrte. Gute Journalisten – böse Journalisten? Daraufhin verließen aus Solidarität auch alle anderen Reporter den Regierungssitz.

Noch vor der Rücktrittsankündigung Javids wurde bekannt, dass unter anderem Wirtschaftsministerin Andrea Leadsom, Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox und Nordirland-Minister Julian Smith das Kabinett verlassen müssen. Insbesondere der Rauswurf von Smith wurde von vielen Seiten mit Bedauern aufgenommen. Er hatte zuletzt mit der Wiederherstellung einer Regionalregierung für Nordirland einen großen Erfolg erzielt.

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