Neue russische Regierung Russischer Premier Mischustin formiert sein Kabinett neu

Moskau · Der neue russische Premier Mischustin hat sein Kabinett weitgehend nach seinen eigenen Vorstellungen formieren können. Kritiker sind jedoch skeptisch, ob das für Reformen reicht.

 Erste Kabinettssitung: Michail Mischustin und Kollegen.

Erste Kabinettssitung: Michail Mischustin und Kollegen.

Foto: dpa/Dmitry Astakhov

Als Erstes will Michail Mischustin den Haushalt für die nächsten drei Jahre umschreiben lassen. „Mit dem Ziel, das Programm des Präsidenten zu realisieren“, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der neuen Regierung. Am Vorabend hatte der vergangenen Donnerstag ernannte Premierminister sein Kabinett vorgestellt, darin sechs neue Vizepremiers und acht neue Minister, viele von ihnen noch unbekannt. Aber die Experten identifizieren sie als Leute des neuen Regierungschefs.

„Mischustin hat eine Mannschaft von Gesinnungsgenossen versammelt“, titelt die Wirtschaftszeitung Wedomosti. „Das bedeutet einen Blankoscheck für Veränderungen.“ Drei der neuen Vizepremiers haben zuvor unter Mischustin in der russischen Steuerbehörde gearbeitet. Ein weiterer studierte an derselben Hochschule wie er.

Als gewichtigster Neuzugang gilt allerdings Andrei Beloussow, künftig Erster Vizepremier und vorher Wirtschaftsberater Wladimir Putins. Beloussow gilt als maßgeblicher Mitautor der sogenannten Mai-Erlasse und Nationalprojekte, mit denen Putin seit 2012 die Wirtschaft und das Sozialleben Russlands erneuern möchte. Ihre mangelnde Umsetzung gilt als Hauptgrund für die Entlassung des bisherigen Premiers Dmitri Medwedew. Es wird erwartet, dass die Regierung unter Beloussow massiv Geld in die sogenannten Nationalprojekte pumpen wird.

Ihren Hut mussten öffentlich umstrittene Figuren wie Kulturminister Wladimir Medinski nehmen, aber auch angebliche Putin-Favoriten wie Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin. Allerdings wird Oreschkin laut der Agentur Bloomberg Putins Wirtschaftsberater, auch der Propaganda-Spezialist Medinski soll als künftiger Präsidentenberater für Kultur kaum an Einfluss verlieren. Und keineswegs alle Kader sind neu.

So blieben außer Justizminister Alexander Konowalow alle Minister des sogenannten „Präsidentenblocks“ im Amt, also die Ressortleiter für Verteidigung, Äußeres, Inneres und Katastrophenschutz. Der Politologe Alexei Markarkin schreibt auf Facebook, Mischustins Hauptaufgabe sei es, ein spürbares Wirtschaftswachstum zu erreichen, dafür habe er mehr Kaderfreiheiten bekommen als alle russischen Regierungschefs der Ära Putin – außer diesem selbst. Mischustin hat schon angekündigt, er wolle die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben und das Vertrauen der Investoren in die Wirtschaft zurückgewinnen. „Der Stilistik nach ist das wirklich eine Regierung der Bewegung“, kommentiert Alexei Wenediktow, Chefredakteur von Radio Echo Moskwy.

Aber regierungsnahe Quellen deuten gegenüber der BBC schon Animositäten zwischen Beluossow und Finanzminister Anton Siluanow an. „In diesem Kabinett fehlen Figuren, die wirklich ernsthafte Reformen wollen“, sagt der Politologe Dmitri Trawin unserer Zeitung. „Es sind gewöhnliche Bürokraten.“ Die Regierung sei relativ jung, schreibt der Publizist Kirill Rogow auf Facebook, die meisten Minister hätten nur in Putins System gearbeitet, ihre Erfahrung als Beamte bestehe vor allem aus Regulieren und dem Verfassen von Rechenschaftsberichten. Putin hoffe, sie würden einfach effizienter agieren als ihre Vorgänger und so ein Wirtschaftswachstum im Rahmen seiner Ideologie erreichen.

„Aber es gibt Dinge, die hängen nicht von der Arbeit des Kabinetts ab“, sagt Trawin. „Den Zufluss von Investitionen etwa bremsen der mangelnde Schutz des Eigentums, die Sanktionen, der schlechte Ruf Russlands insgesamt.“ Daran würden auch technische Modernisierungsmaßnahmen wie eine Digitalisierung der Verwaltung kaum etwas ändern. „In der Doing-Business-Tabelle der Weltbank hat Russland in den vergangenen Jahren viele Plätze gut gemacht. Formal bietet es also gute Bedingungen für Investoren. Aber real hat sich auf dem Markt kaum etwas verändert.“

Trawins Kollege Wladimir Gelman sagt, die Effektivität jeder russischen Regierung hänge von der Zahl ihrer Vizepremiers ab. Je mehr, umso weniger Nutzen liefere das Kabinett. Unter Mischustin kommen auf 21 Minister neun Vizepremiers. Bleibt abzuwarten, wie produktiv diese Relation sein wird.

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