Vor Militärgericht in Israel Prozess gegen 17-jährige Palästinenserin Tamimi eröffnet

Ofer/Nabi Saleh · Für Palästinenser ist die blonde Jugendliche mit der Löwenmähne die neue Galionsfigur ihres Widerstands gegen Israels Besatzung. Israel sieht Ahed Tamimi dagegen als Straftäterin mit gefährlichen Ideen.

 Ihr Fall machte weltweit Schlagzeilen: Die junge Palästinenserin Ahed Tamimi hatte einen israelischen Soldaten vor laufender Kamera geschlagen.

Ihr Fall machte weltweit Schlagzeilen: Die junge Palästinenserin Ahed Tamimi hatte einen israelischen Soldaten vor laufender Kamera geschlagen.

Foto: Ilia Yefimovich

Unter großem Medienandrang hat vor einem israelischen Militärgericht der Prozess gegen eine 17-jährige Palästinenserin begonnen. Ahed Tamimi hatte im Dezember einem israelischen Soldaten vor laufender Kamera ins Gesicht geschlagen. Sie war damals noch 16 Jahre alt.

Über den Fall solle im Interesse der Angeklagten hinter verschlossenen Türen beraten werden, entschied der Richter am Dienstag zu Beginn der Sitzung in dem Gericht im Westjordanland.

"Das ist nicht gut, wir brauchen die Medien, weil wir diesem Gericht nicht trauen", sagte Tamimis Vater Bassem vor Journalisten. Tamimis israelische Anwältin Gaby Lasky erklärte: "Das Gericht hat Angst, dass Leute in die Verhandlung kommen und sehen, was dort passiert, nämlich die systematische Verletzung der Rechte palästinensischer Kinder." Es sei nicht Tamimi, die angeklagt werden sollte, sondern die seit 50 Jahren dauernde israelische Besatzung der Palästinensergebiete, sagte Lasky.

Tamimi steht mit ihrer Mutter Nariman vor Gericht. Der Jugendlichen werden auch Angriffe auf israelische Sicherheitskräfte in weiteren Fällen sowie ein Aufruf zu Anschlägen vorgeworfen. Die Anklageschrift hat insgesamt zwölf Punkte. Die nächste Sitzung ist für März angesetzt. Tamimi und ihre Mutter müssen während des Prozesses in Haft bleiben.

Die Frauen waren im Dezember nach einem Vorfall in ihrem Dorf Nabi Saleh nahe Ramallah festgenommen worden. Auf einem Video, das sich schnell im Internet verbreitete, war zu sehen, wie Tamimi, ihre Mutter und eine Verwandte die Konfrontation mit zwei israelischen Soldaten suchen. Tamimi tritt und schlägt auf einen der Männer ein, ein Fausthieb trifft ihn im Gesicht. In arabischen Medien wurde Tamimi als Symbolfigur des Widerstands gefeiert, Israel sieht sie als Provokateurin.

Amnesty International forderte die sofortige Freilassung der Jugendlichen. Ihre Haft sei "der verzweifelte Versuch, palästinensische Kinder einzuschüchtern, die es wagen, sich gegen die Unterdrückung durch Besatzungstruppen aufzulehnen".

Anwältin Lasky sagte vor Prozessbeginn, das israelische Gerichtssystem sei ungerecht Palästinensern gegenüber. Das Militärgericht sei ein "Besatzungsgericht", das Palästinenser dafür bestrafe, dass sie sich gegen die Besatzung wehrten.

Nach Informationen der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem befinden sich mehr als 300 minderjährige Palästinenser in israelischer Haft. Im Oktober 2015 hatte eine Welle palästinensischer Anschläge auf Israelis begonnen, unter den Tätern waren auch viele Minderjährige.

Der ehemalige Leiter der israelischen Militärstaatsanwaltschaft, Maurice Hirsch, betonte, Tamimi genieße dieselben grundlegenden Rechte wie ein israelischer Staatsbürger. Er gab zu, dass Palästinenser oft länger in Haft blieben als Israelis. Hirsch sagte, eine Freilassung von Häftlingen wie Tamimi sei jedoch problematisch, weil die Eltern ihre mutmaßlichen Taten unterstützten. Die palästinensische Gesellschaft sehe "das Begehen von Straftaten als etwas Positives", sagte Hirsch. Er rechne mit einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr für die junge Palästinenserin.

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