Präsidentschaftswahl in Polen Präsident Andrzej Duda gibt sich im Wahlkampf antideutsch

Warschau · Wenige Tage vor der Wahl in Polen bedient der rechtsnationale Präsident Duda Kriegsklischees und stellt einen deutschen Journalisten an den Pranger. Der neue deutsche Botschafter in Warschau muss zudem auf seine Akkreditierung warten.

 Amtsinhaber in Polen: Staatspräsident und Kandidat der Partei Recht und Gerechtigkeit, Andrzej Duda.

Amtsinhaber in Polen: Staatspräsident und Kandidat der Partei Recht und Gerechtigkeit, Andrzej Duda.

Foto: dpa/Tytus Zmijewski

Es wird eng für Andrzej Duda. Extrem eng. Vor der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt an diesem Sonntag hat der Amtsinhaber seinen komfortablen 13-Punkte-Vorsprung aus der ersten Runde eingebüßt. Das zumindest sagen alle Umfragen. Sie sehen den liberalen Herausforderer, den Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, gleichauf mit Duda, der 2015 als Kandidat der rechtskonservativen PiS ins Amt kam. Für den engen Vertrauten von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sind 50,9 Prozent derzeit die demoskopische Bestmarke. Die statistische Fehlerquote liegt bei drei Punkten. Das Rennen ist also völlig offen.

In dieser Situation spielt Duda nun die antideutsche Karte. Es gebe aus dem Nachbarland „Angriffe“ auf die Wahl in Polen, behauptete er ausgerechnet bei einem Auftritt in Schlesien. Als einen der Angreifer nannte der Präsident den Warschauer Korrespondenten der Tageszeitung „Die Welt“, Philipp Fritz, und stellte ihn damit öffentlich an den Pranger. Die Bundesregierung, Journalistenorganisationen und der Springer-Verlag, der die „Welt“ he­rausgibt, wiesen den Vorwurf entschieden zurück. Medienvertreter in Deutschland warnten, Duda habe Fritz einer persönlichen Gefährdung durch rechtsextreme Attacken ausgesetzt.

Tatsächlich scheint Fritz eher zufällig in die Schusslinie des Präsidenten geraten zu sein. Denn der Text des Korrespondenten, den Duda als „Angriff“ wertete, war keineswegs besonders scharf formuliert: „In der Außenpolitik könnte Trzaskowski einen weniger konfrontativen Ton in den Beziehungen zu Deutschland anschlagen als Duda“, analysierte Fritz und verwies auf die skeptische Haltung des liberalen Kandidaten in der Reparationsfrage. Mit der populären Forderung nach rund einer Billion Euro Entschädigung für Weltkriegsschäden hatte die PiS 2019 im Europawahlkampf gepunktet.

Das Thema gilt völkerrechtlich als abgeschlossen, steht in Polen aber weiterhin auf der politischen Agenda (siehe Infokasten). PiS-Abgeordnete haben ein Gutachten erarbeitet, das allerdings noch unter Verschluss ist. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um „Wahlkampfmunition“ handelt, die vorerst trocken gehalten werden soll. Duda zumindest schlug den Umweg über den Fritz-Text ein, wobei auch der Name des Autors eine Rolle gespielt haben dürfte: „Fritz“ steht in Polen und anderen Ländern Europas als Synonym für ein Zerrbild des preußisch-militaristischen Deutschen.

Duda formulierte es in Schlesien so: „Herr Fritz vermeldete, dass Herr Trzaskowski der bessere Präsident für Deutschland sei, weil er dagegen ist, dass Polen Entschädigungen fordert, Reparationen für den Weltkrieg, für die Zerstörungen, die damals verübt wurden.“ Fritz und Trzaskowski: Damit war die Spur zur angeblichen deutschen Orientierung des Oppositionskandidaten gelegt. Trzaskowski selbst hatte so etwas wohl schon kommen sehen. Noch am Abend der ersten Wahlrunde hatte er erklärt: „Duda steht für ein Polen, das überall nach Feinden sucht.“

Auf eine Bestätigung seiner These hatte er nur wenige Stunden warten müssen. PiS-nahe Medien titelten schon am folgenden Morgen: „Die Deutschen unterstützen Trzaskowski.“ So war es im rechtskonservativen Internetportal „wPolityce“ zu lesen, das sich als Erstes auf die Analyse von Philipp Fritz in der „Welt“ bezog.

Der staatliche, von der PiS-Regierung kontrollierte Fernsehsender TVP stellte wenige Tage später „die jüngsten Versuche deutscher Medien, sich in den Wahlprozess in Polen einzumischen“, bereits als Tatsache fest. Zugleich spekulierten die Journalisten über einen Zusammenhang zwischen der angeblichen Einmischung und der verzögerten Akkreditierung des neuen deutschen Botschafters. Arndt Freytag von Loringhoven wollte seine Arbeit in Warschau Anfang Juli aufnehmen, erhielt zunächst aber kein „Agrément“, wie der völkerrechtliche Vorgang offiziell heißt. Eine Strafaktion gegen die Einmischer?

Unter Berufung auf nicht genannte Quellen mutmaßte TVP weiter, der „geheimdienstliche Lebenslauf“ des Diplomaten bedürfe einer genaueren Analyse. Schließlich sei Freytag von Loringhoven bis 2010 Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes gewesen. Zwischen den Zeilen schwang da die Frage mit: Schicken die Deutschen womöglich einen Agenten? Das polnische Außenministerium begründete die Verzögerung des „Agréments“ dagegen mit verwaltungstechnischen Schwierigkeiten wegen der Corona-Pandemie. In Deutschland heißt es, man habe keinerlei Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Alles Weitere sei Spekulation.

Wenig zu mutmaßen gibt es hingegen über Dudas Motive. Dass er jetzt die antideutsche Karte spielt, dürfte einen einzigen Grund haben: „Mobilisierung, Mobilisierung, Mobilisierung.“ So beschrieb die Zeitung „Rzeczpospolita“ die Strategie. Die Demoskopen sind sich einig, dass das Ergebnis am Sonntag entscheidend davon abhängen wird, wer mehr Anhänger zu den Urnen bringen kann. Für Duda zählen dazu jene Menschen, die im ersten Wahlgang für Krzysztof Bosak stimmten, den Kandidaten der rechtspopulistischen Konföderation für Freiheit und Unabhängigkeit, der 6,8 Prozent erreichte. Die Bosak-Wähler dürften Dudas antideutsche Ausfälle gern gehört haben.

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