Flüchtlinge Österreich fordert in Flüchtlings-Obergrenzen von Deutschland

Athen/Berlin/Wien · Österreich macht Druck: Den Flüchtlingen sollen auch alternative Wege durch Europa verbaut werden. In der EU mehren sich kritische Stimmen zum geplanten Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei.

 "Open the border", "Merkel" und "Germany" rufen Flüchtlinge in Idomeni im Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien.

"Open the border", "Merkel" und "Germany" rufen Flüchtlinge in Idomeni im Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien.

Foto: Kay Nietfeld

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel erhöht Österreich in der Flüchtlingskrise den Druck auf Deutschland. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) forderte Berlin auf, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen.

"Erst wenn Deutschland einen Richtwert nennt und Flüchtlinge nur noch direkt aus den Krisenregionen holt, durchbricht man die Logik der ungeordneten Migration", sagte Faymann der Tageszeitung "Österreich". Gemessen am Wiener Richtwert sollte die Bundesrepublik jährlich 400 000 Flüchtlinge aufnehmen.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wächst der Widerstand gegen das geplante Abkommen mit der Türkei. Nach Wien wandte sich auch Paris dagegen, der Türkei im Gegenzug für die Rücknahme von illegal nach Griechenland übergesetzten Syrern weitreichende Konzessionen zu machen. "Es sollte keine Zugeständnisse bei Fragen der Menschenrechte oder der Kriterien für die Visa-Liberalisierung geben", warnte der französische Präsident François Hollande.

Die EU setzt darauf, dass spätestens beim Gipfel ein Abkommen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise mit der Türkei zustande kommt. Im Grundsatz vereinbart ist, dass die EU künftig alle unerlaubt eingereisten Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück in die Türkei schickt. Für jeden zurückgeschickten Syrer soll die EU einen syrischen Flüchtling legal aus der Türkei einreisen lassen. Ankara fordert eine Beschleunigung der geplanten Visa-Erleichterungen und zusätzliche Hilfszahlungen.

Für Aufsehen sorgte ein Bericht der spanischen Zeitung "El País", wonach das geplante Abkommen mit der Türkei wegen starker Kritik an der vorgesehenen Rückführung von Flüchtlingen abgeändert werden soll. In Brüssel gab es dafür keine Bestätigung. Aus EU-Kreisen hieß es, dass es Ziel sei, die Türkei zum sicheren Drittland zu erklären. Dann könnten Flüchtlinge auch dorthin zurückgeschickt werden, wenn sie in Griechenland registriert werden und dort einen Asylantrag stellen.

Für das Abkommen macht sich vor allem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stark. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete unter Berufung auf Regierungskreise, der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und Merkel hätten auf Bitten der Kanzlerin hin telefoniert. Dabei sei es um die Vorbereitung des Gipfels gegangen, zu dem Davutoglu am Freitag erwartet werde.

Nach der Schließung der Balkanroute werden Forderungen lauter, ein Ausweichen der Flüchtlinge auf andere Strecken zu verhindern. "Wir werden daher alles, was wir jetzt an der Westbalkanroute tun, auch entlang der Italien-Mittelmeer-Route tun müssen, damit klar ist, die Zeit des Durchwinkens der Flüchtlinge nach Mitteleuropa ist vorbei - egal auf welcher Route", sagte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz der "Bild am Sonntag".

Wien treibt Planungen für weitere Grenzkontrollen etwa am Brenner voran, der Österreich mit Italien verbindet. "Wir haben neben Spielfeld auch Grenzkontrollen an zwölf weiteren Orten im Fokus - optional mit Zäunen, Gittern, Containern und Überprüfungen durch Polizisten und Soldaten", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner der "Welt am Sonntag".

Die EU-Mitgliedstaaten arbeiten einem Zeitungsbericht zufolge an einem beschleunigten Auswahlverfahren, um schnell große Flüchtlingskontingente aus der Türkei aufnehmen zu können. Am Montag treffen sich dazu Experten der 28 Staaten, wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf EU-Verhandlungskreise berichtete. Bei einem beschleunigten Verfahren solle der Fokus darauf gelegt werden, dass von einem ausgewählten Flüchtling keine Gefahr ausgehe.

Eine Sprecherin der EU-Kommission verwies auf bereits im Dezember vorgestellte Empfehlungen der Behörde. Danach sollte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR bei der Umsiedlung von Flüchtlingen aus der Türkei in die EU die Führungsrolle übernehmen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gibt nach einem Bericht des Magazins "Focus" seinen Widerstand gegen die Visafreiheit für Türken auf. Er habe in einer Telefonschaltkonferenz der CDU-Spitze gesagt, die Visafreiheit sei zwar "eine Kröte" für die EU. "Aber das kriegen wir hin", zitierte das Magazin den Minister.

In Griechenland steigt die Zahl der Flüchtlinge seit der Schließung der Balkanroute kontinuierlich. Nach Regierungsangaben hielten sich am Sonntag 44 000 Migranten im Land auf, allein im improvisierten Lager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien 12 000. Am Freitag wurde erstmals bei einem syrischen Flüchtlingskind die Infektionskrankheit Hepatitis A diagnostiziert. Das Virus wird vornehmlich durch verunreinigtes Trinkwasser übertragen. Der nächste Krankheitsfall sei nur eine Frage der Zeit, warnte ein Seuchenexperte.

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