Bürgerkrieg in Syrien Neue Waffenruhe wackelt schon vor Beginn

Istanbul · Die geplante neue Waffenruhe für Syrien ist schon vor ihrem Beginn unsicher. Assad will weiter gegen "Extremisten" kämpfen. Die Regierung der Türkei erwägt Vergeltungsschläge.

Die Regierung in Damaskus teilte am Dienstag mit, sie werde sich an die von den USA und Russland ausgehandelte Feuerpause halten, aber weiter gegen Extremisten kämpfen – die Opposition befürchtet, dass unter dem Denkmantel der Terrorbekämpfung weiter gegen gemäßigte Regimegegner und Zivilisten vorgegangen werden soll. Die Türkei erklärte, sie behalte sich Vergeltungsschläge in Syrien als Reaktion auf den Terroranschlag von Ankara vorige Woche vor.

Laut der amerikanisch-russischen Vereinbarung sollen die Waffen in Syrien ab 0.00 Uhr am Samstag schweigen; zuvor sollen die Kriegsparteien bei den UN ihren Willen zur Teilnahme an der Feuerpause melden. Die von den UN als Terrorgruppen eingestuften Milizen Islamischer Staat (IS) und Nusra-Front – der syrische Al-Kaida-Ableger – dürfen weiter bekämpft werden.

Ob die mitternächtliche Feuerpause zur Stunde Null für einen Friedensprozess in Syrien werden kann, ist aber unsicher. Khaled Khoja, Chef des Oppositionsbündnisses SNC, wies laut der Nachrichtenagentur Reuters darauf hin, dass die Nusra-Front überall in Syrien aktiv sei, auch in unmittelbarer Nachbarschaft gemäßigter Gruppen. Diese Tatsache könne von den syrischen Regierungstruppen als Vorwand für einen Bruch der Waffenruhe genutzt werden.

Auch andere Regimegegner zeigten sich skeptisch und stellten Bedingungen für eine Befolgung der Feuerpause. Das Oberste Verhandlungskomitee der Opposition für die unterbrochenen Genfer Friedensverhandlungen erklärte, die Waffenruhe sei nur annehmber, wenn alle Belagerungen syrischer Städte beendet, Hilfslieferungen ermöglicht, Gefangene befreit und Angriffe auf Zivilisten eingestellt würden. Notfalls sei man darauf vorbereitet, mit dem syrischen Regime „in einer Sprache zu sprechen, die es versteht“.

Äußerungen des syrischen Staatsschefs Baschar al-Assad verstärkten die Zweifel an der Feuerpause und machten deutlich, das Damaskus neben dem IS und der Nusra-Front auch weitere Rebellengruppen weiter angreifen will. In der spanischen Zeitung „El Pais“ sagte Assad, auch die von der Türkei unterstützten islamistischen Gruppen Ahrar al-Sham and Jaysh al-Islam würden von seiner Regierung und vom Verbündeten Russland als legitime Ziele angesehen.

Assad betonte zudem, die Türkei müsse aufhören, „Rekruten, Terroristen und Waffen“ nach Syrien zu schicken, wenn die Waffenruhe erfolgreich sein solle.

Ein Ende der Unterstützung für syrische Rebellengruppen kommt für Ankara aber nicht in Frage. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu warf Assad, Russland und dem Iran vor, auch in der Vergangenheit diplomatische Bemühungen zur Beendigung des bald fünf Jahre währenden Konflikts für neues Blutvergießen missbraucht zu haben.

Deshalb sei die Türkei hinsichtlich der neuen Waffenruhe „nicht optimistisch“. Davutoglu deutete zudem an, dass sich sein Land ohnehin nicht an die Feuerpause gebunden fühlt. Die Türkei werde selbst entscheiden, wie und wann sie Vergeltung für den Terroranschlag von Ankara nehmen werde, bei dem 29 Menschen starben.

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