Kommentar zum Wahljahr 2017 in Frankreich Neuanfang

Meinung | Paris · François Hollande kandidiert 2017 nicht mehr für das Amt des französischen Präsidenten. Auch wenn derzeit eine Wechselstimmung herrscht, von der der konservative Kandidat François Fillon am ehesten profitieren könnte, scheint noch alles offen.

 Frankreichs Staatspräsident François Hollande.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande.

Foto: dpa

Das Wahljahr 2017, es wird in Frankreich bereits seit Langem erwartet. Denn kaum war 2012 mit François Hollande ein neuer Präsident gekürt, hatte er eigentlich schon wieder enttäuscht.

Schnell richtete sich die Hoffnung auf das nächste Votum, wuchs seither die Sehnsucht nach einem Neuanfang, ja sogar nach einer Art Messias, der das Land endlich von seinen Problemen befreit. Dass der Reformweg aber mühsam ist, musste Hollande erleben, der mehrmals aus Furcht vor dem Widerstand auf der Straße zurückruderte. Einige Projekte setzte er durch, doch insgesamt blieb er hinter den Erwartungen zurück.

Nur kurz währte die Phase des Wohlwollens gegenüber dem Sozialisten, den viele aus Abscheu gegen seinen Vorgänger Nicolas Sarkozy gewählt hatten. Genauso sahen viele in der nächsten Präsidentschaftswahl im kommenden Mai vor allem eine Chance, Hollande abzuwählen – doch mit der Entscheidung, gar nicht mehr anzutreten, beendete der Präsident diese negative Spirale.

Das Feld ist wieder frei für neue Bewerber, Ideen und Programme. Und auch wenn derzeit eine Wechselstimmung herrscht, von der der konservative Kandidat François Fillon am ehesten profitieren könnte, scheint noch alles offen. Auf ein Neues, Besseres?

Frankreich im moralischen Tief

Sicher ist das nicht. Nach Jahren der wirtschaftlichen Krise befindet sich Frankreich in einem moralischen Tief. Die Menschen haben nur wenig Vertrauen in die Politiker und Institutionen. Auch hinterließen die Terroranschläge der vergangenen zwei Jahre Spuren – in unsicheren Zeiten erwarten die Franzosen Schutz und Verantwortungsbewusstsein von ihren Lenkern. Zugleich sind sie bereit, beides nicht nur bei den traditionellen Parteien zu suchen. Diese haben in den Augen vieler enttäuscht und sogar versagt.

Mit dem politischen Quereinsteiger Emmanuel Macron taucht ein neuer Politiker-Typus auf, der sich mit erfrischender Dreistigkeit vom eingefahrenen System distanziert, das ihn selbst nach oben gebracht hat. Der 39-jährige Ex-Banker verkörpert einen Neuanfang mit all seinen Versprechen, aber auch seinen Gefahren – fehlt es ihm nicht an Erfahrung und Glaubwürdigkeit? Ein Messias ist er sicherlich nicht.

Macrons optimistische und pro-europäische Programmatik steht wiederum dem Kurs der Rechtspopulistin, Globalisierungskritikerin und Europa-Skeptikerin Marine Le Pen gegenüber. Beide haben Erfolg, der sich aus dem Überdruss am Althergebrachten speist und das Ende einer alten Ära markiert – der Übermacht der bürgerlichen Volksparteien mit immer denselben Typen an der Spitze.

In welche Richtung aber die neue Ära geht, ob sie sich nach rückwärts oder nach vorwärts wendet, das entscheiden die französischen Wähler in wenigen Monaten. Deshalb wird 2017 auch für Frankreich ein Schlüsseljahr.

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