Vor allem: Aufklärung Nato setzt auf schnelle Eingreiftruppen im Osten

BRÜSSEL · Was geht in der Ostukraine wirklich vor? Als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gestern mit dem Oberbefehlshaber der Allianz in Europa, US-General Philip Breedlove, im militärischen Hauptquartier im belgischen Mons bei Brüssel zusammentraf, konnte er die Frage nicht beantworten.

 Gemeinsamer Auftritt: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (links) und der Oberkommandierende Philip Breedlove.

Gemeinsamer Auftritt: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (links) und der Oberkommandierende Philip Breedlove.

Foto: dpa

Er "befürchte", dass die Separatisten ihre schweren Waffen zur Vorbereitung einer neuen Offensive zurückziehen könnten, formulierte der frühere norwegische Regierungschef zurückhaltend. "Die kurze Antwort ist: Ja", meinte er auf die Frage, ob er das Risiko sehe, dass die Waffen nur für neue Kämpfe umgesetzt würden. Und auch der militärische Chef der Nato konnte nichts Genaues beisteuern: "Russland ist noch immer in der Ostukraine", erklärte General Breedlove, wohl wissend, dass seine Glaubwürdigkeit bei den Bündnispartnern angeknackst ist.

Intern wirft man dem Amerikaner vor, die russische Truppenstärke mehrfach überzogen dargestellt zu haben. Im Bundeskanzleramt war intern von "übertriebener Propaganda" die Rede. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beschwerte sich angeblich schriftlich beim Nato-Generalsekretär. So forderten die beiden Männer an der Spitze des Bündnisses denn gestern vor allem eines: "Wir brauchen mehr Aufklärung und mehr Informationen."

Tatsächlich tappen alle Beteiligten wohl mehr oder weniger im Dunkeln. Noch am Vortag hatte sogar der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko den Abzug schwerer Waffen "in signifikanten Ausmaß" bestätigt. Gleichzeitig glaubte eine hochrangige US-Repräsentantin in Washington sagen zu können, es würden weiter schwere Panzer ins Kampfgebiet gebracht. Die Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die vor Ort die brüchige Waffenruhe überwachen sollen, bestätigten aber vorerst lieber gar nichts.

Die Unklarheit kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Schließlich ist das geplante Nato-Manöver im Baltikum mit rund 25 000 Soldaten (auch die Bundeswehr ist beteiligt) angelaufen. Parallel dazu präsentierte die Militärführung in Mons gestern erste Detailplanungen für die neue superschnelle Eingreiftruppe, die mit rund 7000 Mann (2700 aus der Bundesrepublik) vom 7. April an ihre Einsatzfähigkeit trainieren wird. Innerhalb von 48 Stunden sollen die ersten Einheiten verlegt werden können, der Rest binnen von fünf Tagen. Stationiert wird die Truppe im Osten des Bündnisses. Zusätzlich stocken die 28 Mitgliedstaaten die normale Nato-Eingreiftruppe von 13 000 auf 30 000 Soldaten auf.

Moskaus Außenminister Sergej Lawrow schäumt und hält dem Westen eine "Aufrüstung an Russlands Grenzen" vor. Dass der Kreml gestern den KSE-Vertrag über die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa endgültige stoppte (er war schon seit 2007 ausgesetzt), sollte als zusätzliches Signal der Empörung verstanden werden. Nato-Generalsekretär Stoltenberg zeigte sich "enttäuscht, weil wir überzeugt sind, dass es wichtig ist, über die Kontrolle und Reduzierung von Waffen zu reden". Doch das fand schon seit Jahren nicht mehr statt.

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