Neue Krise droht Nationalisten gewinnen Wahlen in Bosnien

Sarajevo · Bosnien-Herzegowina gilt schon heute als gescheiterter Staat. Nationalisten entschieden jetzt auch diese Wahlen für sich. Wird alles noch schlimmer?

 Bosnische Wahlhelfer bei der Auszählung der Stimmen.

Bosnische Wahlhelfer bei der Auszählung der Stimmen.

Foto: Amel Emric/AP

Im Dauerkrisenstaat Bosnien-Herzegowina haben Nationalisten die Parlaments- und Präsidentenwahlen vom Sonntag gewonnen.

Die SDA-Partei für die muslimischen Bosnier sowie die SNSD für die Serben blieben stärkste Kraft, auch wenn kleinere bürgerliche Parteien im Aufwind seien, teilte die staatliche Wahlkommission am Montag in Sarajevo mit.

In Bosnien leben christliche Serben und Kroaten sowie muslimische Bosnier. Das Land gilt mit seinem komplizierten Staatsaufbau, seinen überdimensionierten Staatsbetrieben, einer überbordenden öffentlichen Verwaltung und dem Dauerstreit seiner drei Völker seit vielen Jahren als funktionsunfähig.

Die SDA-Partei für die muslimischen Bosnier und die SNSD für die Serben schicken auch ihren Vertreter in das dreiköpfige Staatspräsidium des kleinen Balkanlandes. Besonders Milorad Dodik, seit vielen Jahren Führer der bosnischen Serben, dürfte mit seinem prorussischen und klar antiwestlichen Kurs für Wirbel an der Staatsspitze sorgen.

Rund die Hälfte der 3,5 Millionen Einwohner sind muslimische Bosnier und ein Drittel orthodoxe Serben. Mit 15 Prozent sind die Kroaten die kleinste Volksgruppe. Sie erlitten eine empfindliche Wahlschlappe. Ihr jahrelanger Führer Dragan Covic, der schon bisher im Staatspräsidium saß, wurde nicht für eine neue Amtszeit bestätigt.

Stattdessen wird der Kroate Zeljko Komsic an der Staatsspitze platznehmen. Der Unterlegene kündigte noch in der Wahlnacht an, Bosnien könne auf eine "nie gesehene Krise" zusteuern. Covic hatte vor der Wahl angekündigt, bei einer Niederlage wollten die Kroaten die politischen Institutionen blockieren. Das ist möglich, weil alle drei Volksgruppen ein Veto gegen Entscheidungen einlegen können.

Die Muslimpartei SDA, die seit dem Bürgerkrieg (1992-1995) mit über 100 000 Toten und mehr als zwei Millionen Vertriebenen die alles bestimmende politische Kraft ist, wird im Bundesparlament gemeinsam mit der serbischen SNSD wieder stärkste Partei. Noch in der Wahlnacht unterbreitete die SDA den Kroaten trotz ihrer schweren Niederlage ein Koalitionsangebot.

Wenig Änderung gab es in den Parlamenten der beiden fast unabhängigen Landesteile. Auch hier behielten die SDA und die Serben-Partei SNSD ihre führende Rolle. Allerdings konnten einige bürgerliche Parteien, die nicht die Nationen, sondern den einzelnen Bürger im Mittelpunkt ihrer Arbeit sehen, Wahlgewinne erzielen.

Auch Milliarden Euro Finanzhilfen sowie ein Heer von Diplomaten und Experten aus westlichen Ländern hat nichts an einer Dauerkrise ändern können. Die muslimischen Bosnier wollen den Bundesstaat stärken. Die Serben streben nach Abspaltung und Vereinigung mit der benachbarten "Mutterrepublik" Serbien. Die Kroaten wünschen eine weitgehende Selbstständigkeit innerhalb Bosniens, wodurch der Staat noch mehr zersplittern würde.

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