Justiz in Ferguson Nach nächtlichen Protesten werden zwei Polizisten angeschossen

WASHINGTON · Nach nächtlichen Protesten werden zwei Polizisten angeschossen

 In Deckung: Polizisten und Kamerateams verstecken sich an einer Mauer, nachdem zwei Ordnungshüter angeschossen worden waren.

In Deckung: Polizisten und Kamerateams verstecken sich an einer Mauer, nachdem zwei Ordnungshüter angeschossen worden waren.

Foto: AP/St. Louis Post-Dispatch

Als Tom Jackson, Polizeichef von Ferguson, vor drei Jahren die Botschaft an die Verwaltung der Kleinstadt nahe St. Louis schickte, war man dort ganz aus dem Häuschen. "Wunderbar", antwortete City-Manager John Shaw auf den Hinweis, dass die Einnahmen der Polizei aus Strafzetteln für Kavaliersdelikte wie Ruhestörung oder Bei-Rot-über-die-Ampel-gehen erstmals die Zwei-Millionen-Dollar-Grenze überschritten hatten. Shaw scherte sich nicht darum, dass die Ordnungshüter das Geld zu über 95 Prozent bei Schwarzen eingetrieben hatten.

Das und vieles fand das US-Justizministerium heraus, nachdem im vorigen Sommer der schwarze Jugendliche Michael Brown vom weißen Polizisten Darren Wilson unter dubiosen Umständen nach einer Konfrontation auf offener Straße erschossen worden war. Der Fall löste in vielen Städten Amerikas Empörung und gewalttätige Demonstrationen aus. Die Debatte über strukturellen Rassismus ist seither neu entflammt.

John Shaw und Tom Jackson sind die ersten prominenten Opfer der Aufarbeitung in Missouri. Der Stadtrat setzt Shaw nun den Stuhl vor die Tür. Jackson wird nach den Worten von Bürgermeister James Knowles am 19. März seinen Hut nehmen. Vorher wurde Amtsrichter Ronald Brockmeyer zum Rücktritt gedrängt.

Er soll sich an der Gewinnmaximierung zugunsten der Stadtkasse durch hanebüchene Urteile maßgeblich beteiligt haben. "Ferguson räumt langsam auf", schrieb gestern ein Leser der Zeitung "St. Louis Post-Dispatch", "es wurde auch Zeit." Der Erneuerungsprozess steht seit der Nacht zu gestern unter keinem guten Stern.

Nach friedlichen Protesten vor der Polizeiwache wurden am frühen Morgen zwei Beamte von Unbekannten angeschossen. Sie trugen schwere Gesichts- und Schulterverletzungen davon, sagte Jon Belmar, Chef der Bezirkspolizei von St. Louis. Nach ersten Vermutungen gehen die Behörden von einem "blinden Vergeltungsakt" für die aufsehenerregenden Details aus dem Bericht des Justizministeriums (DOJ) aus.

Danach haben Polizei und Justiz in Ferguson über Jahre die mehrheitlich schwarze Bevölkerung schikaniert, deren Bürgerrechte verletzt und eklatant gegen die Verfassung verstoßen.

Zu den Missständen, die das DOJ nach Durchsicht von 30 000 Akten und Dutzenden Interviews mit Einwohnern aufgedeckt hat, gehören unverhältnismäßig häufige Autokontrollen, Festnahmen ohne erkennbaren Grund und der Einsatz unangemessener Gewalt durch Schlagstock, Waffe oder Polizeihund. In allen Bereichen waren zu weit über 90 Prozent Schwarze betroffen, obwohl sie nur 65 Prozent der Einwohner stellen.

Um Abhilfe zu schaffen, verhandelt das Justizministerium mit dem fast ausschließlich mit weißen Beamten besetzten Polizeirevier in Ferguson wie schon in rund 20 Fällen vorher (New Orleans, Cleveland etc.) über ein Programm, das Rassendiskriminierung bei Strafverfolgung und Gefahrenabwehr ausschließen soll.

Gibt es keine Einigung, wird die neue Justizministerin Loretta Lynch die Polizei in Ferguson wohl vor Gericht ziehen, heißt es in Washington. "Die jüngsten Schüsse werden die Kooperationsbereitschaft des Polizeireviers nicht steigern", sagte ein Kommentator im US-Frühstücksfernsehen.

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