Roms harte Taktik Nach Italiens Appell: Deutschland nimmt 50 Flüchtlinge auf

Rom · Die Regierung in Rom kennt kein Pardon: Wieder lässt sie gerettete Migranten stundenlang im Mittelmeer ausharren. Die Taktik scheint aufzugehen.

 Demonstration für die Seenotrettung von Flüchtlingen in Hamburg.

Demonstration für die Seenotrettung von Flüchtlingen in Hamburg.

Foto: Axel Heimken

Auf Druck Italiens nimmt Deutschland 50 Bootsflüchtlinge auf, die im Mittelmeer gerettet wurden. Zuvor hatten sich bereits Malta und Frankreich bereit erklärt, je 50 der insgesamt 450 Migranten zu übernehmen.

Sie waren am Samstag vor den Küsten italienischer Inseln von zwei Militärschiffen aus einem Holzboot aufgenommen worden. Am Sonntagabend erklärte Premierminister Giuseppe Conte auf Twitter, auch Portugal und Spanien würden je 50 Flüchtlinge aufnehmen.

Trotz der zugesagten Unterstützung warteten das italienische und das Frontex-Schiff laut Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag vor Sizilien weiter auf Zuweisung eines Hafens. Es war unklar, wann und wo die Geretteten an Land gehen können. Am Nachmittag konnten laut Ansa lediglich rund 50 Kinder und Frauen die Schiffe verlassen.

"Deutschland und Italien sind übereingekommen, dass Deutschland im Blick auf die laufenden Gespräche über eine intensivere bilaterale Zusammenarbeit im Asylbereich in diesem Fall bereit ist, 50 Menschen aufzunehmen", sagte eine Regierungssprecherin laut einer Mitteilung. Die italienische Regierung hatte auf Unterstützung von EU-Partnern gepocht.

In den vergangenen Wochen hat die italienische Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega mehrfach Schiffe mit geretteten Migranten auf dem Meer blockiert. Hilfsorganisationen wurde die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen kritisierte die erneute Blockade. Eine "gemeinsame, vorhersehbare und wirksame Einigung", wie mit aus Seenot Geretteten verfahren werden soll, "würde Zeit sparen, das Leiden verringern und Politiker davon abhalten, in einen Wettstreit zu treten, wer am wenigsten Verantwortung übernimmt", schrieb UNHCR auf Twitter.

Italien hatte sich am Freitag geweigert, das Holzboot in einen Hafen einlaufen zu lassen, welches Medienberichten zufolge von Libyen aus gestartet war. Auch Malta fühlte sich nicht zuständig für die Migranten. Am Samstag wurden die Menschen schließlich an Bord der Militärschiffe genommen - doch es war ungewiss, was mit ihnen passieren sollte.

Während der rechte Innenminister Matteo Salvini den Rücktransfer der Migranten nach Libyen ins Spiel brachte, wählte Ministerpräsident Conte mit Außenminister Enzo Moavero Milanesi den Weg der Diplomatie.

Conte schrieb Briefe an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sowie an die EU-Staats- und Regierungschefs. Letztere forderte er zu einem "unmissverständlichen Zeichen" geteilter Verantwortung im Geist des EU-Gipfels Ende Juni auf. Dort hatte Conte darauf gedrungen, dass die übrigen Mitgliedsländer Italien mehr Flüchtlinge abnehmen und sich an der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen beteiligen.

In der Migrationskrise fühlt sich Italien seit langem allein gelassen. Obwohl seit Monaten signifikant weniger Flüchtlinge das Land erreichen - die Vorgängerregierung hatte die umstrittene Zusammenarbeit mit Libyen im vergangenen Jahr verstärkt -, feierte die Regierung die Unterstützung der EU-Partner wie einen Durchbruch. Transportminister Danilo Toninelli von den Fünf Sternen twitterte, die Regierung habe in 45 Tagen mehr Ergebnisse erzielt als in vielen Jahren zuvor. Salvini twitterte: "Willen ist Macht." Tschechien kündigte an, keine der geretteten Migranten aufnehmen zu wollen.

Unterdessen machte sich trotz einer drohenden Blockade im Fall einer Rettung das Schiff "Open Arms" von der spanischen Hilfsorganisation Proactiva auf den Weg vor die libysche Küste. "Wir fahren dorthin, wo es weder Kriminelle, noch Übeltäter gibt, nur Menschenleben in Gefahr. Und zu viele Tote auf dem Grund", twitterte die Organisation.

Die spanische Seenotrettung und die Küstenwache retteten am Samstag Medienberichten zufolge rund 330 Migranten, die auf Booten in der Meerenge von Gibraltar und im Alborán-Meer zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordafrika unterwegs waren. Sie wurden zu verschiedenen Häfen in Andalusien gebracht.

Der Internationalen Organisation für Migration zufolge starben in diesem Jahr bereits fast 1500 Menschen im Mittelmeer. Viele Flüchtlinge, die die gefährliche Flucht wagen, brechen in Libyen auf, wo seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi 2011 chaotische Zustände herrschen.

Aus dem Bürgerkriegsland Libyen kehrten nach EU-Angaben in den vergangenen Monaten mit internationaler Unterstützung rund 20 000 Migranten freiwillig in ihre Heimat zurück. Die Europäische Union, die Afrikanische Union sowie die Vereinten Nationen hatten im November eine Task Force gegründet, um die Menschen von der Flucht nach Europa abzubringen und zur Umkehr zu bewegen.

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