Euro-Finanzminister brechen ihre Beratungen ab. Mit Krach in das Griechen-Konklave

BRÜSSEL · Der Optimismus über eine mögliche Einigung mit Griechenland war bereits verflogen, als die angeblich alles entscheidende Sitzung der Euro-Finanzminister gestern Abend in Brüssel begann. "Wir sind nicht viel weiter als am Montag", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, erkennbar ernst und vor allem verärgert.

"Der Stand ist nicht so, dass wir heute ein Ergebnis erwarten können." Und auch sein finnischer Amtskollege Alexander Stubb meinte: "Es würde mich schon sehr überraschen, wenn wir heute Nacht einen Durchbruch schaffen würden." Beide behielten Recht. Tatsächlich war der "Tag der Entscheidung" mit einem heftigen Krach gestartet.

Im Büro von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zog die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die vor drei Tagen von Athen übersandte Liste mit Reformvorschlägen aus der Tasche - übersäht mit roten Korrekturen. Zu wenig, zu viel, unbrauchbar, zu schwammig. Lagarde hatte nachgerechnet und festgestellt: Von den 2,7 Milliarden Euro, die mit diesen Maßnahmen im laufenden Jahr in die Staatskassen gespült werden würden, wären lediglich 60 Millionen das Ergebnis von Einsparungen.

Der Rest seien Steuererhöhungen - und damit Gift für die Wirtschaft. Juncker und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) widersprachen heftig. Der Streit entzweite die Geldgeber. Lagarde forderte nicht nur einfach konkrete und wirksamere Maßnahmen, sie befürchtete vor allem, dass die EU und die EZB bereit sind, auf die Griechen zuzugehen. "Aus politischen Gründen", wie es allgemein hieß. Offenbar hatten die Staats- und Regierungschefs der Währungsunion die Weisung ausgegeben, "auf jeden Fall" eine Einigung mit Athen zu schaffen, "notfalls muss die ganze Nacht durchverhandelt werden". Lagarde war nach Schilderung von Diplomaten kurz davor, die Gespräche platzen zu lassen.

Dennoch gelang es, die Euro-Finanzminister am Abend zusammenzutrommeln. Allerdings nur kurz. Schon nach gut einer Stunde stand fest: Weitere Verhandlungen sind nötig. Tsipras und die Geldgeber kamen am späten Abend erneut zusammen, um in der Nacht weiter zu verhandeln. Die Fronten waren völlig verhärtet. Denn nicht nur die IWF-Chefin drängte den Athener Premier, seine roten Linien aufzugeben, die Wirtschaft zu entlasten und stattdessen bei den Sozialleistungen zusätzliche Einschnitte vorzunehmen. Auch der griechische Regierungschef selbst bestand auf einem Tabubruch der Euro-Familie: Die Forderung nach einer Umschuldung oder gar einem Schuldenschnitt hatte Premier Alexis Tsipras keineswegs unter den Tisch fallen lassen. Er wiederholte sie.

Österreichs Kassenwart Hans Jörg Schelling: "Er weiß doch, dass wir da auf keinen Fall mitziehen." Der abrupte Abbruch könnte leicht darüber hinwegtäuschen, dass seit gestern Abend zum ersten Mal substanzielle Verhandlungen mit Athen stattfinden.

Das Ziel, so hieß es von Eurogruppen-Teilnehmern am späten Abend, sei klar: "Wir wollen", so ein EU-Diplomat, "dass die Geldgeber sich bis Donnerstagmittag einigen, die Finanzminister dann zustimmen können und die Staats- und Regierungschefs anschließend alles absegnen." Vorausgesetzt die IWF-Gremien und fünf nationale Parlamente, die ebenfalls befragt werden müssen (darunter auch der Bundestag), geben in den nächsten Tagen ihre Zustimmung, wäre Griechenland gerettet - zumindest für den nächsten Monat.

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