Kommentar zum Wahlkampf in den USA Landesverrat

Meinung | Cleveland · Donald Trump personifiziert den Bruch mit nahezu allen Überzeugungen und Traditionen der Konservativen. Trotzdem hat sich ein großer Teil der Republikaner hinter ihn gestellt.

 Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump (rechts) und Mike Pence, der bei einem Wahlsieg sein Stellvertreter werden soll.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump (rechts) und Mike Pence, der bei einem Wahlsieg sein Stellvertreter werden soll.

Foto: dpa

Was vom Präsidentschaftskonvent der Republikaner in Cleveland bleibt, steht bereits fest, bevor Donald Trump vor aller Welt demonstrieren wird, dass das Stockholm-Syndrom Einzug gehalten hat in die Welt der Politik. Der New Yorker Immobilienmilliardär, dem die Präsidentschaftskandidatur nun nicht mehr zu nehmen ist, hat die Republikaner mit Hilfe der Stimmen von 14 Millionen Wutbürgern aus den Vorwahlen als Geisel genommen.

Nach anfangs hartnäckiger Verweigerung hat ein großer Teil der Entführten den narzisstischen Täter, der den Bruch mit nahezu allen Überzeugungen und Traditionen der Konservativen personifiziert, fast ins Herz geschlossen. Eine Selbstaufgabe, die das Ende der „Grand Old Party“ bedeuten kann, wenn der radikale Rechtspopulist Trump bei der Wahl am 8. November untergeht.

Dass sie dann kein Mitleid verdient, hat das Politpanoptikum in Ohios Industriemetropole sehr anschaulich gemacht. Trump und die Republikaner haben nur noch zwei Gemeinsamkeiten: die verzweifelte Sehnsucht nach der Macht. Und den pathologischen Hass auf Hillary Clinton.

Was in Cleveland über die gewiss fehlbare und problematische demokratische Kandidatin ohne Scham in die Mikrofone gesprochen wird, gleicht seit dem ersten Tag einem perfiden öffentlichen Schauprozess und ist der alten Demokratie unwürdig. Ob es das Terror-Drama in der US-Botschaft im libyschen Bengasi war oder die Welle von Anschlägen aus dem Inspirationskreis des Islamischen Staates: Für ausnahmslos alles, was in der Welt und in Amerika schiefgeht, wird die ehemalige Außenministerin haftbar gemacht. Mit einer Ausschließlichkeit, die nur noch krankhaft genannt werden kann.

Dass ihr Kandidat Landesverrat begeht, blenden die allermeisten Delegierten aus. Donald Trumps Bild von Amerika, mit dem er die Unzufriedenen an die Wahlurnen locken will, gleicht der Abschlussszene aus einem Endzeitfilm. Alles Chaos. Alles Elend. Alles außer Kontrolle. Alles kaputt. Und natürlich: Obama/Clinton/Demokraten an allem schuld.

Dass die Realität bei unbestreitbar riesigem Verbesserungsbedarf völlig anders aussieht – mit fünf Prozent Arbeitslosigkeit, einer die Weltwirtschaft antreibenden Ökonomie, Rekordbörsen, sinkenden Kriminalitätsraten und kleinerem militärischen Fußabdruck, will die Partei von Abraham Lincoln und Ronald Reagan nicht wahrhaben. Sie hat sich ihre eigene, intellektuell unredliche Wirklichkeit gebastelt.

Die Republikaner unter dem notorischen Lügner Donald Trump sind die „Walking Dead“ der Politik geworden. Rückwärtsgewandte, von rassistischen Ressentiments und Hass auf Andersdenkende getriebene Untote, die ihr Land als Epizentrum der nahenden Apokalypse begreifen. Das muss scheitern. Und damit auch Donald Trump.

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