Kommentar zu EU und London Klare Kante

Meinung | Brüssel · Großbritanniens neuer Premierminister Boris Johnson hat seinem Land eine glorreiche Zukunft prophezeit. Europa wird sich bei den Brexit-Verhandlungen keine Rüpeleien aus London mehr gefallen lassen, kommentiert Detlef Drewes.

Schon die ersten Tage nach der Inthronisierung des neuen britischen Premierministers zeigen: Europa wird sich keine Rüpeleien aus London mehr gefallen lassen. Der Ton wird rauer. Und das ist richtig so. Brüssel brauchte lange genug, um endlich klare Kante zu zeigen. Denn die Gemeinschaft hat es tatsächlich nicht nötig, sich von den Halbwahrheiten, die Boris Johnson für seine Brexit-Strategie benutzt, niedermachen zu lassen.

Bisher war Johnson ein Tory-Politiker und Wahlkämpfer unter vielen. Nun ist er Premier und immer noch Mitglied dieser Gemeinschaft. Die übrigen Staats- und Regierungschefs sollten den Amtskollegen zur Ordnung rufen – ob er sich mit seinem Land nun in- oder außerhalb der Union befindet. Natürlich setzt Brüssel darauf, dass der neue Premier im Angesicht der Verantwortung vielleicht doch zur Besinnung kommt. Schließlich wird es nun sein Name sein, der mit einem Brexit ohne Deal und mit schweren Beschädigungen des eigenen Landes in die Geschichte eingehen würde, falls er seinen Crash-Kurs durchzieht. Denn die Vertreter der Union haben Recht: Die EU hat sich monatelang auf einen Ausstritt ohne Vertrag eingestellt, hat die wichtigsten Übergangsregeln für alle Bereiche ausgearbeitet. Brüssel ist auf einen Brexit ohne Vertrag vorbereitet, London nicht.

Umso schwerer werden die Folgen am Tag X sein. Und dabei geht es keineswegs nur um die ökonomischen Konsequenzen eines solchen Schrittes. Die wären vermutlich beherrschbar. Viel schwieriger dürfte es für die Briten werden, sich politisch auf der Weltbühne zu etablieren – ohne den Rückhalt einer starken Gemeinschaft. Denn dass für London der Himmel voller zukünftiger Bündnispartner hängt, ist ganz sicher eine Illusion.

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