Staatliche Unterstützung Keine Arbeit – kein Geld

Brüssel · Die EU-Kommission hat eine Reform vorgeschlagen, um den Sozialtourismus zu unterbinden. Wichtige Fragen und Antworten dazu.

 Die EU will mit einer Reform Sozialtourismus unterbinden.

Die EU will mit einer Reform Sozialtourismus unterbinden.

Foto: picture alliance / dpa

Dürfen „Sozialtouristen“ durch die EU vagabundieren und sich dort niederlassen, wo es die höchste staatliche Unterstützung gibt? Nicht nur in Deutschland haben Fälle, in denen der Verdacht bestand, dass Zuwanderer aus der EU-Nachbarschaft soziale Hilfeleistungen erschleichen wollten, für viel Ärger gesorgt. Nun will die Brüsseler Kommission gegensteuern und hat eine Reform vorgeschlagen, die für viele Diskussionen sorgen dürfte. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Muss jeder EU-Staat künftig einem Zuwanderer, der arbeitslos ist oder Arbeit sucht, staatliche Sozialhilfe (Hartz IV) zahlen?

Nein. Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass ein Arbeitnehmer, der Arbeitslosenhilfe beanspruchten will, zuvor mindestens drei Monate in dem Land gearbeitet haben muss und sich legal in dem Gaststaat aufhält. Mit dieser Regelung will die EU-Kommission dem Sozialtourismus vorbeugen. Ausdrücklich heißt es in den Vorschlägen auch, dass es nicht reicht, sich um Arbeit bemüht zu haben. Erst wenn in die Sozialversicherung eingezahlt wurde, kann auch ein Anspruch erhoben werden.

Was heißt die Einschränkung, ein EU-Ausländer müsse legal in dem Land leben?

Das ist eine wichtige Zusatzbestimmung. Der legale Aufenthalt kann von den Mitgliedstaaten davon abhängig gemacht werden, ob ein Zuwanderer aus einem anderen EU-Land sein Leben finanzieren kann, ohne das Budget des neuen Landes zu belasten. Dazu gehört mehr als nur eine Wohnung. Die Kommission fordert, dass die finanziellen Mittel unter anderem für eine Krankenversicherung ausreichen müssen.

Wer zahlt denn für einen Arbeitslosen, der beispielsweise nach Deutschland kommt, um dort einen Job zu finden, aber vorerst noch keinen hat?

In diesem Fall ist der Herkunftsstaat verpflichtet, für sechs Monate (bisher drei Monate) die Unterstützung sicherzustellen. Das heißt: Wer ohne festen Job in ein anderes EU-Land wechselt, weil er sich davon verspricht, die dort möglicherweise höhere Arbeitslosen- oder Sozialhilfe zu beziehen, begeht einen Fehler. Er bekommt nur die Leistungen, die er zu Hause auch erhalten würde.

Wie ist das für die sogenannten Grenzgänger, die in einem Land leben, im anderen arbeiten und dort auch Steuern zahlen?

Durch den Vorschlag der Kommission zieht sich ein Grundgedanke. Demnach ist der Staat für alle Sozialleistungen zuständig, in dem auch Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Alters- und Arbeitslosenversicherung entrichtet werden. Das wäre bei Grenzgängern also der Staat, in dem sie in den vergangenen zwölf Monaten gearbeitet und auch Beiträge eingezahlt haben.

Muss ein Land für EU-Gastarbeiter Kindergeld zahlen?

Zumindest nicht automatisch. Entscheidend ist der Wohnsitz der Eltern. Dort, wo sie (oder der verantwortliche Elternteil) wohnen und arbeiten und damit auch Beiträge zur Sozialversicherung zahlen, entstehen Ansprüche auf Kindergeld – unabhängig von der Frage, wo sich die Kinder aufhalten. Ein Elternpaar, das etwa in Polen lebt und arbeitet, deren Kinder aber in Frankreich ihren Wohnsitz haben und studieren, erhält das Kindergeld vom polnischen Staat in der landesüblichen Höhe.

Wann treten diese Vorschläge in Kraft?

Die Reform, die die Kommission präsentiert hat, braucht noch die Zustimmung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlamentes. Bis zum Inkrafttreten dürfte mindestens ein Jahr vergehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Assange und das Recht
Kommentar zur aufgeschobenen Auslieferung Assange und das Recht
Zum Thema
Aus dem Ressort
Totalausfall
Kommentar zum Versagen der UN in Aleppo Totalausfall