Luftangriff in Afghanistan Kein weiteres Geld für Kundus-Opfer in Sicht

KÖLN · Der Prozess um Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen eines Luftangriffs auf zwei Lastwagen im afghanischen Kundus wird wohl keine neue Wendung nehmen. Das wurde gestern am Kölner Oberlandesgericht (OLG) deutlich.

Die Geschichte klingt auch fünfeinhalb Jahre später noch wie ein tragischer Film: Zwei Tanklastwagen werden in Nord-Afghanistan von Talibankämpfern entführt, bleiben auf der Flucht jedoch auf einer Sandbank stecken.

Militäreinheiten unter der Führung des deutschen Oberst Georg Klein bombardieren die Fahrzeuge und die umringende Menschenmenge, im Glauben, es handle sich um Kämpfer - doch dann hatten sich in der Nacht zum 4. September 2009 vor allem Zivilisten, darunter Kinder und Jugendliche, um die LKW versammelt. Mehr als 100 Menschen verloren ihr Leben.

Die Bundesrepublik zahlte jeweils 5000 Euro an 90 potenziell betroffene Familien. Zwei Hinterbliebene, eine Witwe mit sechs Kindern und ein Vater zweier getöteter Jugendlicher, klagten dennoch, auf 50 000 bzw. 40 000 Euro Entschädigung. Am Bonner Landgericht wurde die Klage Ende 2013 abgewiesen, die Anwälte der Kläger gingen in Revision.

In der gestrigen Verhandlung machte die Vorsitzende Richterin Uta Statthalter schnell klar: "Wir messen der Berufung eher geringe Erfolgsaussichten bei." Sie attestierte dem Landgericht einen fehlerlosen Prozess. Dessen Entscheidung, in Kleins Befehl keine Verletzung der Amtspflicht zu sehen, dürfte auch in zweiter Instanz Bestand haben.

Die Vertreter der beiden Kläger um den Rechtsanwalt Karim Popal zeigten sich wenig beeindruckt: "Moralischer Sieger sind wir sowieso", so Popal. Den Vorwurf, im Bonner Prozess sei die Beweisaufnahme vorzeitig, ohne die Befragung des Oberst, beendet worden, hielt die Anklage aufrecht.

Sie kritisierte die Einschätzung des Gerichts zu Kleins Vorgehen: Der hatte sich von einem Informanten des afghanischen Nachrichtendienstes sieben Mal bestätigen lassen, auf der Sandbank seien keine Zivilisten. Auf einen abschreckenden Tiefflug des US-Militärs verzichtete er. Dies sei "ein Zeichen von großer Unsicherheit" und "grob fahrlässig" gewesen. Für die Berufung spielte die Darstellung keine Rolle.

So gab der Prozesstag juristisch kaum Interessantes her, stattdessen nutzte die Anklage den Saal zur Inszenierung: Sie verwies in Zwischenrufen auf 28 umgekommene Kinder, zitierte aus nicht eingereichten, und somit für den Prozess irrelevanten Unterlagen und erklärte das Kölner Gericht zur Zwischenstation auf dem Weg nach Straßburg, zum europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Die Klage", so Popal, werde "niemals zurückgenommen".

Die Entscheidung des OLG wird am 30. April verkündet.

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