EU-Parlament Kandidaten aus Paris und London unter Beschuss

BRÜSSEL · Als der frühere französische Finanzminister Pierre Moscovici an diesem Donnerstagmorgen vor den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes erscheint, um als künftiger Währungskommissar befragt zu werden, ist der Eklat schon perfekt.

 Gegenwind gab es im Parlament für Pierre Moscovici.

Gegenwind gab es im Parlament für Pierre Moscovici.

Foto: EPA

Denn kurz zuvor hatte sein neuer Chef, der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, den 57-jährigen Franzosen de facto entmachtet.

Anders als geplant darf Moscovici, wenn er sein Amt überhaupt antreten wird, keine Entscheidungen ohne Rücksprache mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten treffen. Juncker dürfte geahnt haben, was in den nächsten drei Stunden passieren würde: Die Abgeordneten vor allem aus den Reihen der Christdemokraten und Liberalen demontierten den französischen Sozialisten Moscovici und rieben ihm genüsslich seine miserable Bilanz als Finanzminister in Sachen Defizitabbau und Schuldenlast unter die Nase.

"Er konnte keine Antwort auf die Frage geben, wie jemand mit seiner mauen haushaltspolitischen Bilanz als Finanzminister den Stabilitäts- und Wachstumspakt glaubwürdig vertreten kann", kommentierte der CSU-Finanzexperte Markus Ferber die Anhörung. Zwar sicherte die sozialistische Fraktion dem Kandidaten von Staatspräsident François Hollande ihre Unterstützung zu. Aber das reichte dann doch nicht, um eine Mehrheit zu bekommen. Moscovicis Berufung in die nächste Kommission bleibt wohl bis zur kommenden Woche offen.

Damit muss nun schon der zweite prominente Bewerber für das Juncker-Team nachsitzen. Bereits am Abend zuvor hatten die Abgeordneten dem zukünftigen britischen Finanzmarkt-Kommissars-Anwärter, Lord Jonathan Hill, die Zustimmung im ersten Anlauf verweigert.

Zwar hatte der Brite - genau wie Moscovici - vor den Parlamentariern ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Europa abgelegt und versprochen, die gemeinschaftlichen Richtlinien zur Regulierung der Geldmärkte einzuhalten. Doch am Schluss blieb bei zu vielen Abgeordneten ein fader Nachgeschmack. Der 54-jährige ehemalige Besitzer einer Beratungsfirma, die für britische Banken Lobbyarbeit betrieb, vermochte den Verdacht, er werde den europäischen Finanzmarkt eher blockieren denn vorantreiben, nicht auszuräumen.

Am Dienstag müssen nun wohl beide Kandidaten noch einmal vor den Parlamentariern erscheinen. Dass einer abgewiesen wird, erscheint unwahrscheinlich. Brüsseler Beobachter rechnen eher damit, dass sich die großen Fraktionen auf ein Geschäft einigen: Wenn die Sozialdemokraten den konservativen Briten mittragen, könnten sich die Christdemokraten bereiterklären, den sozialistischen Franzosen durchzuwinken. Denn der Amtsantritt der neuen Kommission am 1. November soll nicht verhindert werden.

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