Ein einziger Kaptiän am Steuer Junckers Traum für die EU: Mehr Mitbestimmung der Bürger

Brüssel · Wenn es nach EU-Kommissionschef Juncker geht, sollen EU-Bürger langfristig mehr zu sagen haben. Vor der Europawahl 2019 ist das allerdings nicht umsetzbar. Auf kurze Sicht unterstützt der Luxemburger andere Pläne.

 Die EU gilt nicht unbedingt als bürgernah. Auf den letzten Metern seiner Amtszeit will Kommissionschef Jean-Claude Juncker deshalb eine Debatte über institutionelle Fragen ins Rollen bringen.

Die EU gilt nicht unbedingt als bürgernah. Auf den letzten Metern seiner Amtszeit will Kommissionschef Jean-Claude Juncker deshalb eine Debatte über institutionelle Fragen ins Rollen bringen.

Foto: Ye Pingfan

Die Europäische Union soll nach dem Willen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bürgernäher werden und die Wähler stärker beteiligen. Der Luxemburger warb am Mittwoch in Brüssel für einschneidende Änderungen in den Institutionen der Staatengemeinschaft.

"Ich hätte gerne, dass in einer irgendwie absehbaren Zeit dafür gesorgt wird, dass wir ein Zwei-Kammer-System in Europa haben." Zudem sprach er sich für die kommende Europawahl dafür aus, dass die Parteien erneut Spitzenkandidaten benennen, die europaweit Wahlkampf machen und die Aussicht auf das mächtige Amt des Kommissionspräsidenten haben.

Die zwei EU-Kammern sollten Juncker zufolge aus dem Europaparlament und dem Rat der Mitgliedstaaten bestehen. Beide zusammen sorgen für die Gesetzgebung der EU. Wo genau der Unterschied zum jetzigen System liegen sollte, ließ Juncker offen. Grundsätzlich will er die Bürger jedoch stärker einbeziehen.

Der Präsident der EU-Kommission und vielleicht auch der Ratspräsident könnten nach Einschätzung Junckers langfristig in einer direkten Wahl vom Bürger bestimmt werden. Bisher ist das Parlament die einzige direkt von den EU-Bürgern gewählte Institution, der Ratspräsident wird von den Staats- und Regierungschefs bestimmt. Auf lange Sicht plädierte er dafür, das Amt des Kommissionspräsidenten mit dem des Ratspräsidenten (derzeit Donald Tusk) zu verschmelzen und so für einen einzigen Präsidenten an der Spitze der EU zu Sorgen.

Juncker präsentierte seine Vorschläge als Grundlage für ein Treffen der Staats- und Regierungschefs nächste Woche Freitag. Er wisse, dass seine Ideen vor der Europawahl im Frühjahr 2019 nicht umsetzbar seien, sagte Juncker. "Wenn es um Institutionen geht, (...) dann bin ich auch nicht frei von Träumen. Aber ich bin kein Träumer."

Zunächst soll nach dem Willen der EU-Kommission jedoch das 2014 eingeführte System des Spitzenkandidaten beizubehalten werden. Dies würde die europäische Debatte im Wahlkampf bereichern, sagte Juncker. Damals stellten die Parteien im EU-Parlament erstmals Spitzenkandidaten mit der Aussicht auf das Amt des Kommissionschefs auf. Er drängte die Parteien jedoch zur Eile: "So schnell wie möglich einen Spitzenkandidaten zu ernennen, ist wichtig." Vergangene Woche hatten die EU-Parlamentarier entschieden, dass sie niemanden zum Kommissionschef wählen würden, der nicht vorher Spitzenkandidat war.

Juncker betonte am Mittwoch jedoch auch, es müsse nicht automatisch der Kandidat aus der stärksten Partei zum Kommissionspräsidenten gewählt werden. "Diesen Automatismus gibt es nicht." Es komme weiter darauf an, dass ein Kandidat eine Mehrheit unter den Staats- und Regierungschefs und den Parlamentariern habe. Damit reagierte Juncker auf Widerstand der Staats- und Regierungschefs, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wen sie dem Parlament als Kommissionschef vorschlagen. Bisher müssen sie das Ergebnis der Europawahl dabei nur "berücksichtigen".

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs nächste Woche in Brüssel treffen, werden sie außedem die EU-Finanzplanung in den Jahren von 2021 bis 2027 diskutieren. Die Entscheidung darüber gilt als eine der heikelsten, die in der nächsten Zeit auf die EU-Staaten zukommen. Haushaltskommissar Günther Oettinger stellte am Mittwoch bereits erste Zahlen vor. Einig werden müssen sich die Mitgliedstaaten unter anderem darüber, wie beziehungsweise ob sie die durch den Brexit entstehende Lücke im Gemeinschaftshaushalt stopfen wollen. Sie wird nach Angaben Oettingers bei etwa 12 bis 14 Milliarden Euro pro Jahr liegen.

Und auch ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen könnte Oettinger zufolge teuer werden. Nach Berechnungen seiner Experten würde ein umfassendes EU-Grenzschutzsystem Investitionen in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro erfordern, sagte er am Mittwoch. Eine einfache Verbesserung des aktuellen Außengrenzschutzes schlägt demnach über einen Zeitraum von sieben Jahren mit 20 bis 25 Milliarden Euro zu Buche.

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