Vorwahlen der US-Demokraten Joe Biden feiert eine Siegesparty ohne Jubelkulisse

Washington · Nach dem „Super Tuesday“ räumt Joe Biden auch bei der nächsten größeren Vorwahlrunde der US-Demokraten ab. Bernie Sanders ist enttäuscht über die große Schlappe – und zeigt sich auf keiner Bühne mehr.

 Nach dem Sieg: Joe Biden in Begleitung seiner Frau Jill Beiden in Philadelphia.

Nach dem Sieg: Joe Biden in Begleitung seiner Frau Jill Beiden in Philadelphia.

Foto: AP/Matt Rourke

An dem Abend, an dem Joe Biden das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten vielleicht schon für sich entschieden hat, redet er in einem halbleeren Saal. Im National Constitution Center in Philadelphia, einem Museum, das allein der amerikanischen Verfassung gewidmet ist, spricht er vor wenigen, handverlesenen Gästen.

Die Corona-Krise gebietet Vorsicht, es ist eine Siegesparty ohne Jubelkulisse. Während die Regie den Kandidaten sonst gern inmitten einer Traube möglichst fröhlicher Fans auftreten lässt, sind es diesmal etliche Meter, die zwischen ihm und der ersten Zuschauerreihe liegen. Und das ausgerechnet an einem Abend, an dem Biden bereits wie der sichere Sieger des Wettlaufs gegen Bernie Sanders aussieht.

In Mississippi, wo Afroamerikaner, seine verlässlichste Stütze, zwei Drittel der Parteibasis bilden, gewinnt er gegen den Rivalen so klar, dass es einer Demütigung gleichkommt. Auch in Missouri, einem Staat mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur, liegt er deutlich vorn. In Washington am Pazifik – dort galt Sanders als haushoher Favorit – gelingt ihm nach vorläufigem Stand ein Remis. Den eigentlichen Triumph aber kann Biden in Michigan feiern, wo er 53 Prozent der Stimmen holt.

Sanders hatte all seine Hoffnungen in Michigan gesetzt

Sanders hat all seine Hoffnungen in den Autostaat gesetzt, anderswo Auftritte abgesagt, um sich ganz auf ihn zu konzentrieren. Vor vier Jahren gewann er dort die Vorwahlen gegen Hillary Clinton, es war ein Coup, der ihm, dem Außenseiter, unverhofften Schwung verlieh. Diesmal wollte er Biden, der sich am „Super Tuesday“ leicht von ihm abgesetzt hatte, so etwas wie ein Stoppzeichen in den Weg stellen. Und da Michigan zu den Rust-Belt-Staaten gehört, in denen die Demokraten das Blatt wenden müssen, wollen sie das Weiße Haus nach der Niederlage 2016 von Präsident Donald Trump zurückerobern, wuchs dem Primary im „Wolverine State“ eine symbolische Bedeutung zu.

Das Resultat ist so eindeutig, dass die Beraterlegende James Carville dazu rät, den Wettkampf schon jetzt für beendet zu erklären. „Die Wähler haben gesprochen, von nun an geht es nur noch um den November, um den Kampf gegen Trump“, sagt der alte Stratege, der einst den Wahlkampf Bill Clintons dirigierte und wegen seiner scharfsinnigen Analysen bei MSNBC, dem Haussender der Demokraten, noch immer ein gefragter Kommentator ist.

Gerade in Michigan offenbarte sich, wo Sanders’ Schwachstellen liegen. Zwar kann er sich auf begeisterte junge Anhänger verlassen, die ihn verehren wie einen Rockstar. Doch schon die weiße, männliche Arbeiterschaft hat sich längst nicht als so stabile Stütze erwiesen, wie er es sich mit seiner Polemik gegen Freihandelsabkommen zum Nachteil des „Rostgürtels“ der alten Industrie ausgerechnet hatte.

Frauen bevorzugten Biden ebenso eindeutig wie schwarze Wähler. Die Partei, so sieht es Carville, sei eben mehrheitlich nicht zu haben für kühne Experimente mit einem demokratischen Sozialisten an der Spitze. Sie brenne darauf, Trump im Amt abzulösen, und Biden sei in ihren Augen der Mann, der es am ehesten bewerkstelligen könne.

Sanders ließ sich am Mittwoch auf keiner Bühne mehr blicken

Wie enttäuscht Sanders angesichts der Schlappe war, ließ sich schon daran erkennen, dass er sich in der Nacht zum Mittwoch auf keiner Bühne mehr blicken ließ. An seiner Stelle sprach Alexandria Ocasio-Cortez, die linke Kongressabgeordnete, mit der er von Kundgebung zu Kundgebung gezogen war. Es gebe nichts schönzureden, räumte die New Yorkerin ein, „das ist ein harter Abend, ein harter Abend für unsere gesamte Bewegung“.

Kein Wunder, dass der Druck auf ihn wächst, dass ihm Parteigranden raten, schon jetzt das Handtuch zu werfen, um ein de facto entschiedenes Duell nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Doch am Sonntag steht in Phoenix die nächste Kandidatendebatte an, die erste, bei der nur Biden und Sanders diskutieren. Es könnte sein, dass Sanders den Wortstreit abwartet, bevor er Entscheidungen trifft.

Biden wiederum klingt in der Geisterkulisse des Verfassungsmuseums in Philadelphia schon so, als wäre der Rest nur noch Formsache. Allerdings weiß er auch, auf welch schmalem Grat er wandert: Er darf die jugendlichen Fans seines Rivalen nicht verprellen, weil sie sonst, wie 2016 geschehen, am Wahltag aus Protest zu Hause bleiben könnten.

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