Polit-Unruhe in Paris Innenminister-Rücktritt stürzt Macron in neue Krise

Paris · Regierungskrise in Paris. Beobachter sprechen von einem "Psychodrama" und ziehen Vergleiche zum absurden Theater. Der chaotische Rücktritt des Innenministers ist ein Problem für Staatschef Macron.

 Emmanuel Macron im Mai 2017 bei seiner Amtseinführung im Elyseepalast in Paris.

Emmanuel Macron im Mai 2017 bei seiner Amtseinführung im Elyseepalast in Paris.

Foto: Francois Mori/Pool AP

Beim Amtsantritt des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hatte Gérard Collomb Tränen in den Augen: Der Politiker galt als einer der engsten Unterstützer Macrons.

Mit seinem Rücktritt als Innenminister hat Collomb den Staatschef und die Pariser Regierung nun in schwere Turbulenzen gebracht. Premierminister Édouard Philippe übernahm am Mittwoch übergangsweise die Führung des wichtigen Innenressorts.

Collomb ist nach Umweltminister Nicolas Hulot schon das zweite Schwergewicht der Pariser Regierung, das innerhalb weniger Wochen überraschend von Bord geht. Und das gegen den ausdrücklichen Wunsch Macrons, der wegen schlechter Umfragewerte und Kritik an seinem Politikstil ohnehin angeschlagen ist: Er hatte ein erstes Rücktrittsangebot Collombs Anfang der Woche noch abgelehnt.

Das Innenministerium hat in Frankreich auch vor dem Hintergrund der Terroranschläge der vergangenen Jahre großes Gewicht. Der sozialliberale Staatschef hält Collombs chaotischen Abgang aber für keine "politische Krise", wie Regierungssprecher Benjamin Griveaux verkündete. In einer Kabinettsitzung habe Macron gesagt: "Der Staat funktioniert, (...) die Regierung ist vollkommen bei der Arbeit." Die Auswahl eines Nachfolgers sei eine Frage einiger Tage, sagte Griveaux.

Doch nach Einschätzung vieler französischer Kommentatoren hat das Hin und Her um den "ersten Polizisten Frankreichs" Macrons Autorität untergraben. Collomb hatte am Dienstag öffentlich nachgelegt und in einem Interview auf dem Ausstieg beharrt. Daraufhin blieb Macron nichts anderes übrig, als die Nummer zwei der Regierung ziehen zu lassen.

Der 71-jährige Collomb will nun schnell wieder Bürgermeister in Lyon werden - ein Job, den er bereits viele Jahre innehatte. Bereits Mitte September hatte Collomb angekündigt, 2019 aus der Regierung auszuscheiden, um bei der Kommunalwahl 2020 in Lyon anzutreten. Seitdem stand er unter dem Druck der Opposition, die es für problematisch hielt, dass der Innenminister auf dem Absprung ist.

Collomb begründete seinen vorgezogenen Rückzug nun damit, dass er nicht wolle, dass seine künftige Kandidatur die Arbeit des Ministeriums störe. "Es braucht Klarheit gegenüber unseren Mitbürgern", sagte er der Zeitung "Le Figaro". Der aktuelle Bürgermeister von Lyon, Georges Képénékian, wollte nun zugunsten Collombs zur Seite treten.

Für die Opposition und die Medien ist Collombs Ausscheiden ein gefundenes Fressen. Die Zeitung "Le Parisien" sprach von einem "Psychodrama im Élysée", der konservative "Figaro" fühlte sich an absurdes Theater erinnert. Der Innenminister habe den Staatspräsidenten herausgefordert und zum Einknicken gebracht, kommentierte die "Le-Monde"-Journalistin Françoise Fressoz. Das sei eine Premiere in der 1958 gegründeten Fünften Republik, deren 60-jähriges Bestehen Macron am Donnerstag feiert.

Premierminister Philippe dankte dem früheren Sozialisten für seine Arbeit und betonte die Entschlossenheit der Regierung, "den Franzosen das höchste Niveau an Sicherheit zu gewährleisten". Die Atmosphäre bei der Amtsübergabe wirkte frostig: Zunächst musste Collomb auf dem roten Teppich lange auf den Premier warten. Während der Minister dann die Bilanz seiner Amtszeit zog, starrte Philippe nach vorne und erwiderte nur selten Collombs Blick.

In den vergangenen Monaten war wiederholt über einen Bruch Collombs mit Macron spekuliert worden. So hatte der Minister in einem Fernsehinterview über einen "Mangel an Bescheidenheit" der Exekutive gesprochen. Der Politiker beteuerte aber nun, dass er ein aktiver Unterstützer des Staatschefs bleiben werde.

Bereits im Sommer hatte die Affäre um Macrons früheren Sicherheitsmitarbeiter Alexandre Benalla in der Wahrnehmung der französischen Medien auch den Innenminister geschwächt. Benalla war offiziell als Beobachter eines Polizeieinsatzes bei einer Demonstration, dort aber gegen junge Menschen vorgegangen. Nach Medienenthüllungen musste er den Élyséepalast verlassen.

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