Tod von Caruana Galizia Hinweise auf Journalisten-Mörder weisen in Richtung Regierung

Brüssel/Valletta · Malta versinkt im Chaos, nachdem die Hinweise auf die Mörder der Journalistin Caruana Galizia in Richtung Regierung weisen. Für die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen könnte Malta zu einem Testfall für Glaubwürdigkeit werden.

 Ein Teilnehmer an einer Demonstration vor dem Büro des maltesischen Premierministers Muscat.

Ein Teilnehmer an einer Demonstration vor dem Büro des maltesischen Premierministers Muscat.

Foto: dpa/Rene Rossignaud

„Die Situation ist zum Verzweifeln.“ Mit diesen Worten endet der Blog der maltesischen Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia. Es war ihr letzter Satz – vor ihrer Ermordung durch eine Autobombe am 16. Oktober 2017. Inzwischen wurde er zum Programm für die Demonstranten, die ihn auf lange Schals druckten und diese vor Banken und Regierungsgebäuden aufhängten. Denn die Indizien häufen sich, die von einem Auftragsmord an der unbequemen Journalistin sprechen. Am Montag schaltete sich auch die Brüsseler EU-Kommission ein. Die für Grundwerte zuständige Kommissarin Vera Jourova forderte Maltas Justizminister Owen Bonnici auf, die Regierung solle sich aus den weiteren Ermittlungen raushalten. Was sie nicht sagte: Die Regierung selbst scheint in den Mord involviert zu sein.

Caruana Galizia hatte jahrelang recherchiert und die Hintergründe aufgedeckt, warum es dem kleinen Mittelmeer-Staat angeblich so gut geht. Der sozialdemokratische Premierminister Joseph Muscat und sein Kabinettschef Keith Schembri taten alles, um Geld auf die Insel zu bringen – illegale Wege eingeschlossen. Sie bauten eine Casino-Industrie auf, die zu einer Geldwaschanlage wurde. Die Banken spielten mit oder schauten weg. Öffentliche Aufträge wurden nur gegen Schmiergeld vergeben. Russische Oligarchen, die einen EU-Pass brauchten, konnten ihn in Malta gegen zwei Millionen Euro Investitionen kaufen. Mit dem Geld korrumpierte die Regierung viele, die in Amt und Würden standen. Bisher waren dies lediglich die Vorwürfe einer Journalistin, die mit Hetz- und Hasstiraden überzogen und schließlich durch eine Bombe unter dem Sitz ihres Autos ermordet wurde. Die Ermittlungen kamen nur schleppend in Gang und brachten kaum brauchbare Ergebnisse.

Taxifahrer soll neue Informationen zum Mordfall Caruana Galizia geben

Doch nun gab es eine Wende: Ein Taxifahrer, der unter dem Verdacht der Geldwäsche verhaftet wurde, sagte der Staatsanwaltschaft, er habe Informationen über die Hintermänner des Mordes. Es war der Beginn neuer Ermittlungen, die immer weitere Krise zogen. Inzwischen mussten der Kabinettschef und der Tourismusminister zurücktreten, der Finanzminister steht unter Verdacht. In der Hauptstadt Valletta versammelten sich am vergangenen Wochenende einige tausend Menschen, was für ein Land, das gerade mal 500.000 Einwohner hat, ziemlich viel ist.

Die Demonstranten forderten den Rücktritt der gesamten Regierung, insbesondere von Premier Muscat. „Er steht für den Sumpf an Finanzkriminalität und Korruption, der Daphne Caruana Galizia das Leben gekostet hat“, sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Sven Giegold am Mittwoch in Valletta. Zusammen mit weiteren Europa-Parlamentariern hielt er sich in Malta auf, sprach mit Staatspräsident George Vella und Muscat. Der Regierungschef hat unter dem Eindruck der Ereignisse zwar seinen Rücktritt für Januar angekündigt. Den Maltesern und den EU-Volksvertretern ist das zu wenig: „Eine solche Person kann nicht wie jeder andere Regierungschef an einem EU-Gipfel teilnehmen“, erklärte Giegold mit Blick auf das EU-Spitzentreffen in der kommenden Woche.

Für die neue EU-Kommission unter ihrer deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen könnte Malta zu einem Testfall für Glaubwürdigkeit werden. Denn sie hat die Bewahrung der Rechtstaatlichkeit zu einem ihrer Schwerpunkte ausgerufen. Auch wenn dabei der Blick wohl hauptsächlich auf einige Ost-Mitglieder gerichtet war, muss man in Brüssel nun alles tun, um Malta zu stabilisieren. Denn die Vorwürfe reichen bei weitem über eine normale Regierungskrise hinaus. Malta, so heißt es, könnte tatsächlich straucheln, weil es nicht mehr nur um ein System, sondern um die moralische und wirtschaftliche Stabilität eines Mitgliedstaates gehe, auch wenn es nur ein kleiner ist.

Das Europäische Parlament hatte übrigens schon kurz nach der Ermordung Caruana Galizias eine Art Denkmal gesetzt: Einer der Pressesäle im Brüsseler Arbeitsbereich für die Korrespondenten trägt inzwischen den Namen der ermordeten Kollegin.

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