Wiederaufbau in der Zentralafrikanischen Republik Hilfe in einem gescheiterten Staat

BONN · Seit zwei Jahren flammt in der Zentralafrikanischen Republik immer wieder Gewalt auf. Mal vertreiben christliche Milizen Muslime aus ihren Dörfern, mal geht es umgekehrt. Hunderttausende mussten ihre Städte und Dörfer verlassen, mindestens 5000 Menschen wurden getötet.

 Kinder in einem Flüchtlingscamp am Flughafen von Bangui: Mehr als 15 000 Menschen haben sich vor der Gewalt dort in Sicherheit gebracht. Die Welthungerhilfe hilft dabei, ihnen eine neue Heimat zu geben.

Kinder in einem Flüchtlingscamp am Flughafen von Bangui: Mehr als 15 000 Menschen haben sich vor der Gewalt dort in Sicherheit gebracht. Die Welthungerhilfe hilft dabei, ihnen eine neue Heimat zu geben.

Foto: EPA

417 der 436 Moscheen des Landes seien zerstört worden, berichtete die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power kürzlich in New York. Die monatelangen Kämpfe in dem afrikanischen Staat hätten eine Verwüstung angerichtet, die "eine Art von verrückt, ernüchternd" seien.

Keine Frage: Die Zentralafrikanische Republik gehört nicht zu den Ländern, die den idealen Nährboden für erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit bieten. Und doch hat die Welthungerhilfe im vergangenen Jahr in der Hauptstadt Bangui ein Büro eröffnet. Für Mathias Mogge ist das nichts Besonderes: "Das ist ja unsere Aufgabe, dass wir Menschen helfen, die sich in besonders schwierigen Verhältnissen befinden", sagt der für Projekte und Programme zuständige Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe . "Und es ist in solchen gewalttätigen Auseinandersetzungen eben so, dass die Zivilbevölkerung besonders leidet."

Also helfen, trotz des Risikos zu scheitern. Der Bedarf im Land ist enorm. Von 4,6 Millionen Einwohnern sind 2,7 Millionen auf Hilfe angewiesen. 500 000 haben das Land verlassen, 443 000 sind im Land Vertriebene. "Das Land befindet sich im Chaos", beschreibt Mogge die Lage nach einem Besuch in Bangui, "es ist ein failed state, ein gescheiterter Staat."

Mit drei Entwicklungsprojekten und einem Gesamtvolumen von 7,6 Millionen Euro ist die Welthungerhilfe in dem Krisenstaat aktiv. Es geht um die Unterstützung der Flüchtlinge, und - natürlich - um die Verbesserung der Ernährungslage, gewissermaßen das Kerngeschäft der Welthungerhilfe. Und immer dabei die ganz große Herausforderung: Wie kann man zugleich zur Konfliktreduzierung, zur Versöhnung beitragen?

Die Schule Koudoukou liegt im Norden von Bangui, in einer Gegend, die sehr umkämpft war. Es ist die größte Schule des Landes, wer etwas auf sich hält, wer Karriere gemacht hat im Land, hat sie besucht. Jetzt ist sie nur noch ein Symbol des Konfliktes: Die Klassenräume zum Teil völlig heruntergekommen, vieles ist zerstört. Seit knapp zwei Jahren findet kein Unterricht mehr statt. "Die Lage war zu unsicher", so Mogge.

Jetzt wird diese Schule mit Unterstützung der Welthungerhilfe wiederhergerichtet und soll zum Symbol des Wiederaufbaus werden. "In acht Wochen soll alles fertig sein", so Mogge. Dafür waren viele Gespräche nötig, auch mit Vertretern aller Rebellengruppen. Als Vermittler fungierte ein früherer Fußballstar, Anatole Koué, einst Profi bei Paris Saint-Germain und langjähriger Nationalspieler der Zentralafrikanischen Republik. "Er ist heute UN-Friedensbotschafter im Land und hochgeachtet."

Auch für die 15 000 bis 20 000 Menschen, die sich vor der Gewalt in ein Lager direkt am Flughafen geflüchtet haben, will die Welthungerhilfe eine Lösung schaffen, gemeinsam mit dem örtlichen Verband der Gemüsebauern. "Die leben heute direkt an der Landebahn", berichtet Mogge, "das ist hochgefährlich." Drei Kilometer entfernt sollen sie eine neue Heimat finden. Die Welthungerhilfe baut dort ein Gesundheitszentrum, eine Markthalle, eine Schule und ein Versammlungszentrum - "das soll eine Art Zelle werden, wo die Menschen wieder Vertrauen schöpfen können." Die Regierung hat Land zur Verfügung gestellt, damit die Neuansiedler dort Gemüse anbauen können. Es ist die Chance auf ein neues Leben - wenn alle Beteiligten mitspielen.

Denn bei solch einem Projekt wollen viele mitreden: der Landwirtschaftsminister, die französische Interventionstruppe Sangaris, der französische Botschafter, die Rebellengruppen, die lokale Bevölkerung und natürlich die Vertriebenen selbst. "Kein einfaches Unterfangen", sagt Mogge.

Warum überhaupt diese Gewaltausbrüche, die unter dem Deckmantel des Religionskonfliktes daherkommen? Mogge hat beim Besuch der Schule den zuständigen Bürgermeister gefragt. Früher hätten Christen und Moslems ohne jedes Problem zusammengelebt, habe der erklärt. Heute aber sei die Stimmung so politisiert und aufgeheizt, dass das nicht möglich sei: "Die Religion wurde instrumentalisiert, um Menschen gegeneinander aufzuhetzen."

Das Schulprojekt soll dazu beitragen, diese Fronten wieder aufzubrechen. Angehörige aller Religionsgruppen arbeiten am Wiederaufbau der Schule mit, ihre Kinder sollen sie später besuchen. Vertrauensbildende Maßnahmen, die Kommunikation erst wieder ermöglichen - Mogge weiß, dass dafür ein langer Atem notwendig ist. "Da sind vor allem die politischen Führer, die Verantwortlichen in den Stadtvierteln gefragt, die eine große Rolle dabei spielen werden, dieses Vertrauen wiederherzustellen", sagt er. "Wir können nur dabei helfen, die zerstörte Infrastruktur wieder in Gang zu bringen, damit Gespräche überhaupt stattfinden können. Aber das fängt langsam an."

Auch beim Schulprojekt, das vielen Menschen aus dem Viertel Arbeit gibt. "Wir achten peinlich darauf, dass Christen- und Moslemgruppen da zusammenarbeiten. Da bekommt jeder die gleiche Ausstattung, Gummistiefel, Werkzeuge. Und bei den Gummistiefeln achten wir sogar darauf, dass wir genauso viele Stiefel einer Größe bei den einen haben wie bei den anderen. Sonst kann es schon wieder zum Konflikt kommen."

Nothilfe ist wichtig, aber solche kleinen, vertrauensbildenden Maßnahmen sind mindestens genauso notwendig - das ist eine Erfahrung, die Mogge von seiner Reise mitgebracht hat. Vieles hängt jetzt davon ab, wie sich der politische Prozess entwickelt. Die Übergangsregierung hat für April ein nationales Forum der Verständigung geplant, das ein erster Schritt auf dem Weg zu Wahlen sein könnte. Die sollen dann im August stattfinden.

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