Minderheiten in den USA Hasstiraden zeigen Wirkung

Washington · Nach der Wahl Donald Trumps werden Minderheiten bedroht und schikaniert. Kommentatoren fordern, dass der künftige Präsident zur Mäßigung aufruft.

Seit der Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten Amerikas hat sich ein hässliches Ventil geöffnet. Täglich werden Hassattacken gegen Schwarze, Latinos und andere Minderheiten gemeldet. Die Beobachtungsstelle für Rassismus, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit, das "Southern Poverty Law Center" in Montgomery/Alabama, hat seit Mittwoch mehr als 200 solcher Zwischenfälle registriert.

"Es gibt Vandalismus, Drohungen, Einschüchterung", sagt Richard Cohen, der Leiter, "alles ermutigt durch Donald Trumps Rhetorik im Wahlkampf." Und die nächste Hiobsbotschaft ist schon da: Trump will unmittelbar nach Amtsantritt bis zu drei Millionen Illegale, die strafrechtlich aktenkundig geworden sind, ausweisen oder inhaftieren. Das sagte der 70-Jährige am Sonntag in seinem ersten großen Fernsehinterview nach der Wahl dem Sender CBS.

Bürgerrechts-Organisationen fürchten Chaos und noch mehr Szenen wie diese: Die junge Muslima, die über den Campus der Universität von Michigan ging, glaubte im ersten Moment, sich verhört zu haben. "Nimm den Schleier ab, sonst zünde ich dich an", sagte ein unbekannter, emotional aufgebrachter Mann zu ihr. Um kein Risiko einzugehen, nahm die Studentin entsetzt den Hidschab, die typische Kopfbedeckung, ab und floh.

"Eure Eltern werden abgeschoben, weil sie illegal hier sind, und ihr kommt ins Heim", sagte ein Sportlehrer den Sechstklässlern einer Schule im Süden von Los Angeles, die vorwiegend von Latinos besucht wird. "Das Leben von Schwarzen zählt nicht", sprühten Unbekannte in Durham/North Carolina an eine Schulwand, "und eure Stimmzettel zählen auch nicht. Geht zurück nach Afrika."

Vier Szenen, eine Tragödie

"Make America great again", schrieb ein weißer Student an 150 afro-amerikanische Erstsemester der Universität von Pennsylvania - und fügte seinen Textmitteilungen Fotos von Lynchjustiz aus den 60er Jahren bei.

Vier Szenen, eine Tragödie. Vor allem bei rechtsextremen, neonazistischen Gruppen, etwa dem Ku-Klux-Klan, habe Trumps Strategie verfangen, der "politischen Korrektheit" ein Ende zu setzen, sagt Cohen. "Seine Attacken gegen Minderheiten haben dazu beigetragen, dass rassistische Parolen wieder salonfähig geworden sind." Der Ku-Klux-Klan plant für Anfang Dezember eine Pro-Trump-Kundgebung in Raleigh/North Carolina.

Aus der Demokratischen Partei kommt nur vereinzelt Widerstand. "Ich habe in wenigen Stunden mehr Geschichten von Amerikanern gehört, die Angst vor ihrer eigenen Regierung und manchen Mitbürgern haben, als das in den vergangenen 50 Jahren jemals der Fall war", schreibt der bald abtretende Chef der Demokraten im Senat, Harry Reid.

Auch Bürgerrechtsorganisationen ziehen "eine direkte Linie" zwischen den sich häufenden Hassattacken und Trumps Plänen für ein Einreiseverbot für Muslime und der Androhung, bis zu elf Millionen Illegale abzuschieben; die Mehrzahl darunter Menschen mit Wurzeln in Lateinamerika. "Die Angst vieler Latinos", so Reid, "ist völlig rational, weil Trump unverhohlen darüber gesprochen hat, schlimme Dinge mit ihnen zu machen." Den genauen Überblick hat Shaun King, afro-amerikanischer Aktivist und Reporter der "New York Daily News". Seit Trumps Wahl füllt sich der digitale Briefkasten Kings im Stundentakt mit hässlichen Szenen:

  • In Pennsylvania wird eine muslimische Frau beinahe von einem Auto überfahren. Der Mann am Lenker hält an und ruft: "Das ist ab sofort Trumps Amerika."
  • An einer Highschool in Minnesota besprühen Unbekannte die Toiletten: "Geht zurück nach Afrika. Nur für Weiße."
  • In Queens/New York werden schwarze Schülerinnen beschimpft, als sie den Schulbus besteigen: "Habt ihr nicht im hinteren Teil zu sitzen, jetzt, wo Trump Präsident ist?"
  • An einer Highschool in Redding/Kalifornien erhalten hispanisch-stämmige Schüler getürkte Abschiebungsanordnungen.
  • In North Carolina findet ein Homosexueller einen Zettel an seinem Auto: "Kann es nicht erwarten, bis eure ‚Ehe‘ annulliert wird von einem echten Präsidenten. Schwule, brennt in der Hölle!"

Cohen fragt sich, wie lange Trump unwidersprochen hinnimmt, dass sich erwiesene Volksverhetzer wie der Ku-Klux-Klan auf ihn berufen. In der Wahlnacht hatte Trump betont, Präsident "für alle Amerikaner" sein zu wollen und das gespaltene Land wieder zu einen. Kommentatoren fordern, dass sich Trump so schnell wie möglich in einer Rede an die Nation eindeutig von den Auswüchsen distanziert und die extremistischen Zirkel ausgrenzt. "Trump hat ein Monster geweckt. Jetzt muss er es bezwingen", schreibt die Zeitung "St. Louis Post-Dispatch".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Zum Thema
Aus dem Ressort