GA-Klimazeitung GA-Korrespondenten berichten über Klimaschutz

BONN · Tausende Schweizer wollen das Verfeuern von Öl, Gas und Kohle verbieten, während die Spanier ihren Ausstoß an Treibhausgasen seit 1990 erhöht haben. Wie blicken unterschiedliche Länder auf den Klimaschutz? Ein Überblick unserer Korrespondenten.

Deutschland kommt beim Klimaschutz nicht so schnell voran wie geplant. Aber der Klimawandel ist inzwischen nicht zuletzt im Europawahlkampf zu einem Top-Thema geworden. Und während die Politik um eine CO2-Steuer ringt, gehen jede Woche bei den „Fridays-for-Future“-Demonstrationen Tausende junge Leute auf die Straße, um auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam zu machen. Wie diskutieren derweil andere Länder über Klimawandel und Klimaschutz? Unsere Korrespondenten geben einen Überblick:

Frankreich: Viele Initiativen – bisher wenig Substanz

In Frankreich wird sehr viel über Klimapolitik geredet – vor allem seit die grüne Partei Europe Écologie-Les Verts (EELV) bei den Europawahlen auf dem dritten Platz gelandet ist. Zuvor hatte Präsident Emmanuel Macron auch die Ökologie zu einem der Schwerpunktthemen seiner Amtszeit ausgerufen, konkret passiert ist bisher allerdings wenig. Diskutiert wird etwa in der Nationalversammlung, dass von 2040 an keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden dürfen. Von 2025 an soll Plastik zu hundert Prozent recycelt werden. Zudem verspricht Frankreich, spätestens 2050 keine Klimagase mehr zu produzieren.

Das Thema Ökologie wird von Macron offensichtlich auch als Vehikel verstanden, sich in Szene zu setzen. Als sich US-Präsident Donald Trump mit dem Satz „Make America great again“ als Anführer der freien Welt verabschiedete, sprang Macron dankbar in die Lücke mit dem Satz „Make our planet great again“. Im Europawahlkampf versuchte er mit grünen Themen, junge Leute an sich zu binden – die wählten dann aber lieber das Original: die EELV mit ihrem Spitzenkandidaten Yannick Jadot, einem ehemaligen Aktivisten von Greenpeace.

Vorgeworfen wird Frankreich, dass sich das Land noch zu sehr an die Atomkraft klammere und beim Ausbau von alternativen Energien nicht vorankomme. So sind noch 58 Reaktoren am Netz, die 72 Prozent für den französischen Energiehaushalt liefern. Nur 16 Prozent der Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Aber auch hier macht die Regierung ein Versprechen. Sie will den Anteil bis zum Jahr 2030 auf 40 Prozent steigern.

Italien: Kein ausgeprägtes Umweltbewusstsein

Das Umweltbewusstsein der Italiener gilt insgesamt als nicht besonders ausgeprägt. Wer von Deutschen erzählt, die aus Gründen des Klimaschutzes so selten wie möglich in ein Flugzeug steigen, wird ungläubig angeguckt. Die Grünen in Italien sind als politische Kraft irrelevant, die Fünf-Sterne-Bewegung hatte sich Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben, kämpft politisch gerade aber ganz andere Schlachten. Klimaschutz wurde bislang nicht als Thema entdeckt, um sich vom Koalitionspartner der rechtsnationalen Lega zu emanzipieren.

Nur vier Prozent der ins Parlament eingebrachten Gesetzesentwürfe drehen sich um Klimapolitik und Umweltfragen. Dem steht offenbar die Wahrnehmung der Bevölkerung gegenüber. Einer Umfrage zufolge behaupten 37 Prozent der Italiener, angesichts der Folgen des Klimawandels besorgt zu sein. EU-weit sind es nur 24 Prozent. Gerade Italien bekommt mit Naturkatastrophen wie extremen Regenfällen und Überschwemmungen die Folgen des Klimawandels besonders zu spüren. Trotz allem rangiert Italien im Klimaindex 2019 von Germanwatch vor der Bundesrepublik (Platz 27) auf Platz 23. Offenbar ist es Italien gelungen, seinen Energieverbrauch in den vergangenen Jahren zu reduzieren, der Ausstieg aus der Kohle wurde für 2025 beschlossen. Wie realistisch der Plan ist, steht dahin. Denn es fehlen noch konkrete Pläne zur Umsetzung. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien ist keine politische Priorität.

Schweiz: 50.000 unterstützen Gletscherinitiative

Viele Schweizer wollen eine klimafreundliche Zukunft einläuten: Innerhalb weniger Wochen unterschrieben fast 50 000 Eidgenossen die sogenannte Gletscherinitiative, über die es in dem Alpenstaat sobald wie möglich eine Volksabstimmung geben soll. „Das Schwinden unserer Gletscher ist ein Weckruf!“, betonten die Initiatoren um den Umweltjournalisten Marcel Hänggi. „Das Klimaproblem ist im Kern entwaffnend einfach“, doziert Hänggi. „Wärmer wird es vor allem deshalb, weil die Menschheit Öl, Gas und Kohle verbrennt.“ Deshalb fordern Hänggi und seine Mitstreiter, die Emissionen aus dem Verbrennen fossiler Energieträger bis 2050 auf netto null zu senken. Und sie wollen die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Verfassung verankern. Den Abschied von den fossilen Klimakillern könne ein Staat nur durch eine komplette Ächtung erreichen, stellt Hänggi klar. „Wenn man etwas ganz loswerden will, ist es das Naheliegendste, es letztlich zu verbieten.“

China: Abschied von der Kohle hat begonnen

Viele Jahre lang galt China als Klimakiller Nummer eins. Das ist das bevölkerungsreichste Land der Welt auch weiterhin. Die Volksrepublik stößt mehr klimaschädliches CO2 aus als alle 35 Mitgliedsstaaten der OECD zusammen. Und doch hat sich China zum Liebling von Klimaschutzorganisationen entwickelt.

Der Durchbruch kam beim Klimaschutz-Gipfel 2015 in Paris. China und die US-Regierung – damals noch unter der Präsidentschaft von Barack Obama – sagten erstmals ein verbindliches Emissionsziel zu. Peking versprach, den CO2-Ausstoß spätestens ab 2030 zu senken.

Die USA hat ihre Zusage unter Trump wieder zurückgenommen. China ist weiterhin mit dabei. Zwar bauen die Chinesen wegen des hohen Energiebedarfs auch neue Kohlekraftwerke. Doch die sind dank besserer Filtertechnik sehr viel sauberer. Parallel dazu baut China die erneuerbaren Energien kräftig aus. Egal ob Wind, Solar oder Wasserkraft – kein Land hat so viel in klimaneutrale Energieformen investiert wie die Volksrepublik. 2017 ging der CO2-Ausstoß erstmals zurück, also 13 Jahre früher als zugesichert. Der Zenit sei noch nicht überschritten, sagt Lauri Myllyvirta von Greenpeace Ostasien. „Aber es ist ein Zeichen, dass sich China von Kohle wegbewegt.“

Großbritannien: Renaissance der Milchmänner

Das Vereinigte Königreich möchte beim Klimaschutz nicht nur globaler Vorreiter werden, sondern sieht sich längst deutlich weiter als etwa Deutschland. So hat das Land gerade erst in einem Gesetz verankert, bis 2050 netto keinen Beitrag zur Erderwärmung mehr zu leisten, also den Ausstoß von Treibhausgasen bis auf wenige Ausnahmen vollständig zu beenden. Um das Ziel zu erreichen, in 31 Jahren CO2-neutral zu sein, will Großbritannien bis 2030 den Kohleausstieg vollzogen haben. Derweil sollen unter anderem die erneuerbaren Energien ausgebaut und keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Gleichzeitig wollen die Briten aufforsten und die Wärmedämmung fördern. Bis zum Sommer schon soll das Gesetz in Kraft treten, die Verschärfung der bisherigen Rechtsverordnung dürfte eine Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments bekommen.

Schon länger herrscht Aufbruchstimmung auf der Insel, auf der Umweltstandards in der Vergangenheit vor allem wegen EU-Richtlinien erreicht wurden. Die britische Politik hielt sich dagegen vornehmlich zurück. Das hat sich gewandelt – und auch in der Gesellschaft hat ein Umdenken eingesetzt. So feiern etwa Milchmänner im Königreich eine Renaissance und das Land intensiviert in vielen Bereichen seinen Kampf gegen Plastik.

Spanien: Mehr Erosion und Wüstenbildung

Es klingt paradox: Auf der einen Seite gehört das südlich gelegene Spanien zu jenen EU-Ländern, die nach den UN-Klimaprognosen am schlimmsten von der Erderwärmung betroffen sein werden. Zugleich nahmen die schädlichen Treibhausgase seit 1990 mangels einer ambitionierten Umweltschutzpolitik nirgendwo derart zu wie in Spanien. Wenn das Urlaubsland, in dem Umweltpolitik bis heute keine Priorität genießt, nicht doch noch im letzten Moment die Notbremse zieht, wird es nach Einschätzung der EU-Kommission die vereinbarten Klimaschutzziele verfehlen.

Was das bedeutet, lässt sich bereits von der Costa Brava bis zur Costa del Sol an der spanischen Mittelmeerküste beobachten: Durch Regenmangel und Temperaturanstieg breiten sich Erosion und Wüstenbildung immer weiter aus. Ausgedörrte Böden und zunehmende Trockenperioden machen den Landwirten zu schaffen. Die Strände, von denen Spaniens Tourismusgeschäft lebt, drohen zu verschwinden. Wenn nicht gegengesteuert wird, könnte die beliebte Urlaubsinsel Mallorca im Mittelmeer bis zum Jahr 2100 die Hälfte ihrer Playas verlieren, warnen Forscher.

USA: Trump will keine „Worst-Case-Szenarien“

Wahrscheinlich wird Jay Inslee nicht als nächster Präsident der Vereinigten Staaten im Weißen Haus residieren, auch wenn er sich gerade um das Amt bewirbt. Doch immerhin ist er Gouverneur des Pazifikstaats Washington, dessen Metropole Seattle zu den wirtschaftlichen Leuchttürmen der USA gehört. Sein Wort hat durchaus Gewicht, und was er zum Klimawandel sagt, lässt erkennen, wie energisch manche Demokraten auf einen Politikwandel drängen. Um der Dringlichkeit des Problems gerecht zu werden, mahnt Inslee, müsse man eine komplette Fernsehdebatte der Kandidaten fürs Oval Office allein diesem Thema widmen – und keinem anderen.

Parallel dazu hat er einen Plan vorgelegt, der im Kern darauf abzielt, die Energiewirtschaft binnen zehn Jahren von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Quellen umzurüsten. Neun Billionen Dollar soll das Land zu diesem Zweck investieren, seine Infrastruktur modernisieren, die Ausgaben für Klimaforschung und die Förderung alternativer Energien verfünffachen. Manches ist angelehnt an den „Green New Deal“, mit dem Alexandria Ocasio-Cortez, die jüngste Kongressabgeordnete, schon vor Monaten für Aufsehen sorgte.

Rund 70 Prozent der US-Amerikaner, hat die University of Chicago ermittelt, halten den Klimawandel für etwas Reales, nicht für einen Schwindel der Chinesen, die den USA durch Selbstbeschränkung nur Wettbewerbsnachteile aufbürden wollen, wie Donald Trump es einmal formulierte. Auf die Politik des Präsidenten indes hat die Stimmungslage bislang keinen Einfluss. Der „New York Times“ zufolge hat Trump die zuständigen Wissenschaftler angewiesen, im nächsten „National Climate Assessment“, der regierungsamtlichen Einschätzung des Klimawandels, auf das Darstellen von „Worst-Case-Szenarien“ zu verzichten.

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