„Welt“-Reporter in Türkei festgenommen Für Deniz Yücel wird es ernst

Istanbul · Nach zweiwöchigem Polizeigewahrsam für den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in Istanbul hat die Staatsanwaltschaft am Montag Untersuchungshaft für den Reporter beantragt. Ihm werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen.

Nach zweiwöchigem Polizeigewahrsam für den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in Istanbul hat die Staatsanwaltschaft am Montag Untersuchungshaft für den Reporter beantragt. Nach Abschluss der Vernehmung des „Welt“-Korrespondenten am Nachmittag habe die Anklagebehörde den Journalisten mit Antrag auf Untersuchungshaft an das zuständige Gericht überstellt, teilte der türkische Oppositionspolitiker und Menschenrechtler Sezgin Tanrikulu mit.

Yücel werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft. Bis zu diesem Dienstag muss das Gericht entscheiden, ob der Korrespondent auf freien Fuß gesetzt oder in Haft gesteckt wird. Tanrikulu schrieb auf Twitter, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei keine Überraschung. Yücel hatte sich am 14. Februar der Istanbuler Polizei gestellt und war in Gewahrsam genommen worden.

Deutsche Politiker hatten den türkischen Behörden vorgeworfen, den „Welt“-Reporter aus politischen Gründen festzuhalten.

Der Journalist Fatih Polat von der linksgerichteten Tageszeitung „Evrensel“ berichtete, in dem Verhör sei es vor allem um Yücels Berichterstattung über die Kurdenfrage gegangen. So sei er zu einem Interview befragt worden, das er im Jahr 2005 mit Cemil Bayik führte, einem ranghohen Kommandeur der kurdischen Terrororganisation PKK. Auch Berichte Yücels über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sowie über Gefechte zwischen türkischen Sicherheitskräften und Kurden in Südostanatolien seien Thema gewesen.

Sollten Polats Angaben zutreffen, stellt sich die Frage, was aus den Vorwürfen geworden ist, wegen denen Yücel seit zwei Wochen in Gewahrsam sitzt.

Laut Polizei wird ihm die Verbreitung von Terrorpropaganda vorgehalten, weil er über die – durch Hacker an die Öffentlichkeit gekommenen – E-Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak berichtet hatte. Albayrak ist ein Schwiegersohn von Präsident Erdogan; die Mails beschreiben angeblich die Einflussnahme der türkischen Führung auf die Medien des Landes.

Der regierungskritische Journalist Can Dündar hatte ursprünglich mit der Ausweisung von Yücel aus der Türkei gerechnet. „Die Regierung will keine ausländischen Beobachter mehr im Land dulden, weil diese noch mehr Möglichkeiten haben, über die Ungerechtigkeit zu berichten, als die einheimischen Journalisten“, so der frühere Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ und Gründer der deutsch-türkischen Internetplattform Özgürüz. „Yücel ist ein mutiger Korrespondent, der die wichtigen Fragen stellt“, so Dündar, „jetzt wird er den Preis zahlen müssen.“

Im Januar waren auch drei türkische Reporter im Zusammenhang mit Berichten über die Albayrak-Mails in U-Haft genommen worden. Medienberichten zufolge wurde bei den Betroffenen die Teilnahme an Diskussionen über die Mails auf Twitter von der Staatsanwaltschaft als mutmaßlicher Beweis illegaler Tätigkeiten gewertet.

Nach Angaben der Journalisten-Gruppe CPJ in den USA sitzen in der Türkei derzeit 81 Journalisten in Haft – mehr als in jedem anderen Land der Erde. Die türkische Regierung betont, die Berichterstatter seien nicht wegen ihrer journalistischen Arbeit in Haft, sondern weil sie staatsfeindliche Aktivitäten unterstützt haben sollen.

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