Flüchtlingsdrama in Italien Fall "Diciotti": Ermittlungen gegen Innenminister Salvini

Rom · Die Migranten auf dem Schiff "Diciotti" dürfen nach tagelangem Tauziehen von Bord. Doch Italiens Innenminister Salvini könnte in dem Fall endgültig eine Grenze überschritten haben - meint zumindest die Justiz.

 Salvini hatte angeordnet, die Menschen erst von Bord gehen zu lassen, sobald sich andere Staaten zur Aufnahme einiger Migranten bereit erklären.

Salvini hatte angeordnet, die Menschen erst von Bord gehen zu lassen, sobald sich andere Staaten zur Aufnahme einiger Migranten bereit erklären.

Foto: Andrew Medichini/AP

Nach dem Drama um festgesetzte Migranten auf dem italienischen Schiff "Diciotti" ermittelt nun die Justiz gegen Innenminister Matteo Salvini.

Dem Vize-Premierminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega wird Amtsmissbrauch und Freiheitsberaubung vorgeworfen, wie die Nachrichtenagenturen Ansa und ADN Kronos am Samstag berichteten. Salvini bestätigte ein Verfahren gegen ihn. Er hatte angeordnet, die Mitte August im Mittelmeer geborgenen Menschen erst von Bord gehen zu lassen, sobald sich andere europäische Staaten zur Aufnahme einiger Migranten bereit erklären.

Für die Flüchtlinge, die im Hafen von Catania auf Sizilien festsaßen, gibt es nun eine Lösung: Albanien, Irland und die katholische Kirche in Italien nehmen sie auf. Sie hatten seit Donnerstag vor einer Woche auf dem Schiff der Küstenwache ausgeharrt.

Salvini kritisierte die Ermittlungen gegen ihn scharf: "Es ist unglaublich, in einem Land zu leben, in dem vor zehn Tagen eine Brücke eingestürzt ist, unter der 43 Menschen gestorben sind, und es keinen gibt, gegen den ermittelt wird", sagte er bei einem Auftritt im norditalienischen Pinzolo. "Und sie ermitteln gegen einen Minister, der die Grenzen des Landes verteidigt. Es ist eine Schande." Vor der applaudierenden Menge fuhr er fort, "ihr habt eine Regierung, die die italienischen Bürger bis zum Ende verteidigen wird."

Um den Großteil der zuletzt 140 Migranten an Bord - nämlich 100 - kümmere sich die italienische Bischofskonferenz, teilte die Regierung in Rom mit. Albanien und Irland - letzteres besucht derzeit Papst Franziskus - nehmen demnach jeweils 20 Menschen auf.

Seit Antritt der Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung vor gut drei Monaten fährt Italien einen harten Anti-Migrationskurs und macht Druck auf die EU. "Diese Regierung steht für eine rigorose und kohärente Migrationspolitik, überlässt die Menschen, die in Lebensgefahr oder kritischem Zustand sind, aber nicht sich selbst", erklärte Premierminister Giuseppe Conte am Abend in einer Mitteilung.

Erst wurde zivilen Rettungsschiffen mit geretteten Migranten an Bord die Einfahrt in Häfen verwehrt, dann wurden auch Militär oder Handelsschiffe teils tagelang im Mittelmeer blockiert. Immer wieder aufs Neue handelte Italien wie auch Malta mit einigen EU-Staaten wie Deutschland Lösungen aus. Doch im Fall der "Diciotti" blieben die Fronten verhärtet. Ein Treffen mit Vertretern von 14 Mitgliedsstaaten am Freitag in Brüssel endete ergebnislos. Italien hatte deshalb mit einem Stopp der EU-Beitrittszahlungen gedroht.

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