Erschießung Bin Ladens Ex-Elitesoldat Robert O'Neill: "Ich habe Bin Laden erschossen"

WASHINGTON · Klatschtanten sind unter den Navy Seals nicht gut gelitten. Die auf Fehlerlosigkeit gedrillte Elite-Einheit der amerikanischen Marine zählt Verschwiegenheit zu den zentralen Tugenden. Die Tötung von El-Kaida-Chef Osama Bin Laden durch ein US-Spezialkommando vor dreieinhalb Jahren hat den Ehrenkodex aufgeweicht.

 Robert O'Neill posiert in seinem Heimatort Butte in Montana für ein Foto.

Robert O'Neill posiert in seinem Heimatort Butte in Montana für ein Foto.

Foto: dpa

Indiskretionen aus innersten Zirkeln finden seither regelmäßig den Weg in die Öffentlichkeit und Buchregale. Manchmal über den Umweg Weißes Haus. Meist geht es um die Frage: Wer hat den damaligen Staatsfeind Nr. 1 wirklich erledigt? Jetzt will es ein Mann namens Robert O'Neill gewesen sein. Seine Selbstbezichtigung sorgt kurz vor dem "Veterans Day" für dicke Luft.

An jenem Tag, der diesmal auf den 11. November fällt, verneigt sich Amerika traditionell mit Paraden und Zeremonien vor jenen, die für das Vaterland gekämpft und ihr Leben gelassen haben. Es soll "Bewusstsein geschaffen werden" für das Schicksal von Soldaten, die im Leben ohne Uniform oft an Drogensucht und Arbeitslosigkeit zerbrechen. Oder am Desinteresse der Zivilgesellschaft.

Das dachte sich auch der dem Patriotischen verpflichtete TV-Sender Fox News. Seit Wochen prahlt man dort damit, ab 11. November erstmalig den Namen und die Geschichte jenes Mannes zu lüften, der am 2. Mai 2011 im pakistanischen Abbottabad dem spiritus rector der Anschläge vom 11. September 2001 die tödlichen Gewehrkugeln in die Stirn jagte.

Aber die Exklusiv-Geschichte ist unter "friendly fire" geraten. Die von Ex-Elitesoldaten gespeiste Internetseite sofrep.com hat Robert O'Neill geoutet. Dem rot-blonden Naturburschen aus Butte in Montana droht nun ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrat. Er hat geredet. Seals mögen sowas nicht. Auch wenn O'Neill ein Star ist.

Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst 2012 hat der muskulöse Mann über 50 Auszeichnungen für Tapferkeit in gefährlichen Einsätzen bekommen. Zwei seiner Missionen machte Hollywoods Traumfabrik zu Geld: die Befreiung des Frachtgut-Kapitäns Richard Phillips aus der Geiselhaft somalischer Piraten, später gespielt von Tom Hanks. Und die Rettung des unter Taliban-Feuer geratenen Scharfschützen Marcus Luttrell, in "Lone Survivor" von Mark Wahlberg verkörpert.

Von seinem Einsatz gegen Bin Laden hat der 38-Jährige offenbar nicht profitiert. Aus einem 2013 erschienenen Porträt im Magazin "Esquire", in dem er nur "der Schütze" genannt wurde, weiß man, dass der Familienvater nach seiner Militärzeit ein Leben ohne Krankenversicherung und Pension fürchtete. "Wenn ich ausscheide, werde ich für den Rest meines Lebens keinen Pisspott besitzen. Traurig, aber wahr: Es ist besser, im Kampf zu fallen."

Nun, O'Neill lebt. Als Motivationstrainer, der zahlungswilligen Kunden erklärt, dass Führungskräfte klare Kante zeigen müssen. Gegenüber Fox News und der Washington Post, die ihn heute breit zitiert, muss O'Neill damit bei sich angefangen haben. Seither ist die Verwirrung um die letzten Sekunden Bin Ladens komplett. Anders als Ex-Navy Seal Matt Bissonnette, der seine Teilnahme an der Mission "Neptune Spear" zwischen zwei Buchdeckel presste und damit bereits Millionen verdient haben soll, behauptet O'Neill, er allein habe "Geronimo" (Bin Laden) auf dem Gewissen. "Ich sah ihn und schoss ihm zweimal in die Stirn. Bap! Bap!". Ex-Seals beglaubigen die Angaben. Andere Soldaten sagen: Alles erlogen.

Was auch immer stimmt, dem Schützen steht Ärger ins Haus. Brian Losey, Konteradmiral der Navy Seals, wurde sehr grundsätzlich: "Ich äußere mich weder öffentlich über meine Arbeit, noch strebe ich nach Anerkennung für meine Taten", schreibt Losey im Namen der Truppe, "wir dulden keine absichtliche und egoistische Missachtung unserer Grundwerte aufgrund des Strebens nach Bekanntheit oder aus finanziellen Interessen." Die Wahrung der Anonymität sei "lebenslange Verpflichtung". Gut zu wissen. In wenigen Tagen kommt das zweite Buch von Matt Bissonnette heraus. Mit Osama Bin Laden lässt sich offenbar immer noch einfach zu viel Geld verdienen.

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