Frankreich vor der Präsidentschaftswahl Europas Zukunft

Meinung | Paris · Frankreich und Deutschland sind die Lokomotiven der europäischen Entwicklung. Sollte Front-National-Chefin Marine Le Pen die französischen Präsidentschaftswahlen gewinnen, müsste das beiderseitige Verhältnis neu bewertet werden.

 Liegt im französischen Präsidentschaftswahlkampf auf Erfolgskurs: Marine Le Pen.

Liegt im französischen Präsidentschaftswahlkampf auf Erfolgskurs: Marine Le Pen.

Foto: AFP

In einer Welt, deren Lauf zurzeit maßgeblich Männer wie Donald Trump oder Wladimir Putin bestimmen, die sich ohne Rücksicht auf Verluste auf Eigeninteressen konzentrieren, muss Europa zusammenrücken. Das gilt besonders für die beiden Partner, die immer noch die europäische Grundachse bilden: Deutschland und Frankreich. So reicht die Bedeutung der dortigen Präsidentenwahl in zwei Monaten über die Landesgrenzen hinaus. Sie ist eine europäische.

Die Auffassungen zur künftigen Europa-Politik der drei aussichtsreichsten Kandidaten weichen stark voneinander ab. Der 39-jährige Sozialliberale Emmanuel Macron fordert eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit und dürfte gerade in Berlin mit den Versprechen, die Brüsseler Defizitkriterien einzuhalten und Arbeitsmarktreformen durchzuführen, auf Wohlwollen stoßen. Der Konservative François Fillon tritt für eine Verschlankung des Staates ein, aber auch mehr nationale Souveränität, ohne die Wichtigkeit der deutsch-französischen Beziehung infrage zu stellen.

Anders als Marine Le Pen, die „Schluss mit der EU machen“ will. Statt Dialog und Annäherung kommt die Chefin des Front National mit dem Schlagwort des „intelligenten Protektionismus“, ohne zu sagen, was das Intelligente an ihren Abschottungsforderungen sein soll. Ihre Positionen mögen all jene schockieren, die in der EU – trotz mancher Mängel – eine Chance sehen, eine Garantie für Wohlstand und Frieden. Bei ihren Millionen Anhängern aber trifft Le Pen einen Nerv.

Sie profitiert dabei auch von der Sehnsucht der Franzosen nach Erneuerung. Sie wollen kein „Weiter so“ mit den alten, undurchsichtigen Praktiken von Politikern, die weniger das Wohl ihres Landes, sondern ihre persönliche Karriere im Auge haben.

Wie ihr Idol Trump schürt die Rechtspopulistin Hass und spaltet das Land: Hier ihre Gegner, für die sie die Linie ihres Vaters fortführt, des bekennenden Rassisten Jean-Marie Le Pen. Dort ihre Anhänger, die ihre Antihaltung stützen – gegen die EU, gegen die Eliten und natürlich gegen Muslime und Einwanderer. Das drückt sich aus im plumpen Schlagruf ihrer Wähler „On est chez nous“, „Wir sind hier bei uns zu Hause“. Das Verderben kommt demnach von den anderen.

Diese Denkweise verfängt auch, weil das Gefühl weit verbreitet ist, Frankreich stehe am Abgrund und nur eine autoritäre Hand, wie Le Pen sie in die Luft reckt, könne den Niedergang aufhalten. Da scheint nicht zu stören, dass auch die Front National in Betrugsaffären verwickelt ist, Experten das Wirtschaftsprogramm unrealistisch nennen und nur eine Minderheit ihre Forderung nach einem Austritt aus der Eurozone teilt.

Was lässt sich dieser Entwicklung entgegenstellen? Wohl nur eine positive, weltoffene und mutmachende Botschaft: Dass Frankreich anders zu sanieren ist als mit Abschottung und Nationalismus. Denn es verdient Besseres.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort