Sondersitzung des Deutschen Bundestags Es geht auch um Merkel

Der Deutsche Bundestag stimmt heute in einer Sondersitzung über die Brüsseler Empfehlungen für ein drittes Griechenland-Hilfspaket ab. An dem Abstimmungsverhalten der Union wird auch der Rückhalt von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den eigenen Reihen abgelesen werden.

 Am Tag nach der Abstimmung in Athen: An einem Zeitungskiosk informieren sich die Menschen über die Ereignisse der Nacht.

Am Tag nach der Abstimmung in Athen: An einem Zeitungskiosk informieren sich die Menschen über die Ereignisse der Nacht.

Foto: dpa

Drei Szenarien, wie die Abstimmung ausgehen könnte.

Der Bundestag stimmt zu, Merkel hat eine Mehrheit in der eigenen Fraktion

Dann läuft alles einen geordneten Gang. Griechenland bleibt im Euro und finanziell am Tropf der Euro-Staaten. Auf EU-Ebene werden die Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket für Griechenland aufgenommen. Wenn es geschnürt ist, muss der Bundestag noch einmal zustimmen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die Abstimmung darüber dann ohne größere Verwerfungen über die Bühne geht. In der Koalition dürfte - je nachdem wie hoch die Zahl der Abweichler in den Reihen der Unionsfraktion ist - recht schnell zur Tagesordnung übergegangen werden. Bereits im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag hat die Fraktionsführung der Union die Latte niedrig gehängt, indem die Parole ausgegeben wurde: Mehrheit ist Mehrheit.

Das "Ja" für weitere Verhandlungen mit Griechenland wäre auch im Sinne der meisten Bürger: Laut einer Umfrage von Forsa sind 55 Prozent der Bundesbürger der Auffassung, sie habe am letzten Wochenende in Brüssel alles richtig gemacht, 31 Prozent sind der Meinung, sie hätte Griechenland zum Ausstieg aus dem Euro zwingen sollen. Vermutlich könnte Merkel weit über das konservative Lager hinaus punkten. 75 Prozent der Grünen-Wähler gaben an, Merkel habe eine gute Figur bei den Verhandlungen abgegeben, und 66 Prozent der Unionsanhänger.

Ob Merkel die hohen Zustimmungsraten zu ihrer Griechenland-Politik wird halten können, ist dagegen eher fraglich: Merkel wird in der Bevölkerung und bei den Wählern mit einer Verlängerung der Milliardenhilfen direkt in Verbindung gebracht.

Alles, was ab jetzt in Griechenland und im Verhältnis zwischen dem Pleiteland und den Gläubigern schief geht, dürfte Merkel zumindest teilweise angelastet werden. Und wer glaubt schon, dass die griechische Regierung sich fundamental wandeln kann und ab jetzt zum Musterschüler beim Umsetzen von Reformvorhaben wird.

Bei allem Rückhalt, den Merkel in Meinungsumfragen genießt, darf man nicht vergessen: Es gibt viele Bürger, die keine Geduld mehr mit Griechenland haben. Viele davon sind traditionelle SPD- und Unionswähler.

Im März wird im Südwesten gewählt, wo eine solide Haushaltspolitik von den Wählern traditionell hoch geschätzt wird: Für Union und SPD könnte das "Ja" im Bundestag bedeuten, dass ein Teil ihrer Klientel ihr dies nachträgt und im Frühjahr ins Lager der Nichtwähler abwandert.

Der Bundestag stimmt zu, Merkel hat keine Mehrheit in der Fraktion

Die Europa-Politik ist inzwischen das entscheidende Bewährungsfeld der Bundeskanzlerin. Wenn hier die eigene Fraktion Angela Merkel nicht mehr unterstützte, wäre das die größte Niederlage der Regierungschefin seit ihrem Amtsantritt im Jahre 2005.

In Europa verlöre die Politikerin, die bislang weithin als stabilste Kraft in der Europäischen Union angesehen wird, schlagartig an Autorität. Es gäbe genügend Kräfte, die auf eine solche Situation gewartet haben, um Europa auf einen anderen Kurs zu dirigieren. Vielen in der EU ist daran gelegen, dass sich Brüssel wesentlich stärker für eine Wiederbelebung der Investitionen vor allem in den südeuropäischen Staaten einsetzt.

Innenpolitisch würde in der CDU eine kräftezehrende innerparteiliche Debatte über den Kurs der Partei einsetzen, die sich doch so gerne als "Europa-Partei" ansprechen lässt. Und während die Union in eine Phase der Selbstfindung eintritt, würde der Koalitionspartner versuchen, politisch aus der entstandenen Lage Kapital zu schlagen. Die Sozialdemokraten, die weniger Probleme mit der Zustimmung zur Aufnahme von Verhandlungen mit Athen haben, würden sich als Lordsiegelbewahrer außenpolitischer Zuverlässigkeit Deutschlands anpreisen.

Mehr noch: De facto hätte sich im Bundestag eine stille rot-grüne, vielleicht sogar eine rot-rot-grüne Koalition in dieser Frage ergeben. Eine Mehrheit, die es auch in anderen Fragen - von der Steuerpolitik bis zur Homo-Ehe - eigentlich schon gibt, aber nicht umgesetzt wird. In der SPD könnte die Versuchung groß werden, diese politische Mehrheit im Bundestag auch einzulösen. Schließlich winkt dann die Kanzlerschaft.

Der Bundestag stimmt nicht zu

Dies wäre der größte anzunehmende Unfall der deutschen Außenpolitik. In der Euro-Zone würde Chaos ausbrechen: Griechenland müsste den Euro abgeben, allerdings unter den Umständen, die am meisten gefürchtet werden: ungeordnet, ohne Masterplan. Die Finanzmärkte würden verrücktspielen, Aktienkurse einbrechen, der Fortbestand der Euro-Zone im Ganzen wäre akut bedroht. Der politische Schaden für Deutschland wäre unermesslich, Deutschland würde in Europa und in der Welt verantwortlich dafür gemacht, dass die europäische Einigung um Jahrzehnte zurückgeworfen würde.

Die politischen Folgen für Deutschland wären verheerend, wenn ein "Nein" des Bundestages die Euro-Zone und die EU in eine derartige existenzbedrohende Krise stürzen würde. Das über Jahrzehnte mühsam aufgebaute Bild Deutschlands als verlässlicher Partner in Europa, der bereit ist, solidarisch Lasten zu schultern, würde zerschellen. Dagegen wäre die Kritik, die sich Deutschland und vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble wegen seiner Verhandlungsführung am Wochenende außerhalb Deutschlands eingehandelt hat, nur ein laues Lüftchen.

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