Atom "Ernste Lehre für die Menschheit": Gedenken an Tschernobyl

Tschernobyl · Die Atomkatastrophe von Tschernobyl hat die Wahrnehmung der Kernkraft international verändert. Am 30. Jahrestag des Störfalls sitzt die Trauer in Kiew und Moskau tief. Ein Atomausstieg wie in Deutschland ist aber kein Thema.

 Die Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl gilt neben Fukushima als bisher schwerster Unfall bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Die Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl gilt neben Fukushima als bisher schwerster Unfall bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Foto: Sergey Dolzhenko

Die Ukraine hat der Opfer des Super-GAUs in Tschernobyl vor 30 Jahren mit ergreifenden Gedenkfeiern, aber auch mit einem Bekenntnis zur Atomkraft gedacht.

Bei einer Zeremonie an der Reaktorruine würdigte Staatspräsident Petro Poroschenko die damaligen Aufräumarbeiter wegen ihres lebensgefährlichen Einsatzes. Die Kernschmelze vom 26. April 1986 sei eine der größten technischen Katastrophen in der Geschichte der Menschheit, sagte er.

Poroschenko dankte auch den internationalen Geldgebern für ihre Hilfe bei der Absicherung der havarierten Anlage. Der Präsident bekräftigte sein Vertrauen in die zivile Nutzung der Kernenergie. Die Ukraine könne auch in naher Zukunft nicht auf Atomkraft verzichten, sagte er.

Poroschenko mahnte aber "harte und effektive Maßnahmen bei der Sicherheit" an. Umweltorganisationen wie Greenpeace forderten von der prowestlichen Regierung in Kiew am Jahrestag ein Umdenken. Experten halten einen Ausstieg der Ukraine aber erst in 15 Jahren für möglich.

In Moskau würdigte Präsident Wladimir Putin den Mut der damaligen Helfer. "Tschernobyl ist eine ernste Lehre für die ganze Menschheit geworden, und die Folgen hallen wie ein raues Echo bis heute nach - auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen", betonte Putin in einem Schreiben. Hunderttausende Helfer aus der Sowjetunion hatten 1986 versucht, die Strahlung einzudämmen. "Viele von ihnen haben ihr eigenes Leben geopfert, um andere zu retten", meinte der Kremlchef.

In Tschernobyl war damals Reaktorblock 4 bei einer Übung explodiert. Eine kilometerhohe Feuersbrunst wirbelte radioaktive Teilchen in die Luft, die Strahlung war 400 Mal stärker als beim US-Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Hiroshima 1945. Von der Ukraine breitete sich die Wolke über weite Teile Westeuropas aus. Bis heute sind Böden mit radioaktiven Stoffen belastet. Mindestens 10 000 Menschen starben Schätzungen zufolge an den Folgen. Der letzte aktive Tschernobyl-Meiler war erst im Jahr 2000 stillgelegt worden.

In der Anlage befinden sich noch 200 Tonnen Uran. Ein - allerdings brüchiger - Schutzmantel soll einen Strahlenaustritt aus dem havarierten Meiler verhindern. Ein internationales Konsortium baut derzeit eine neue Hülle. Vorwiegend westliche Geber hatte am Montag weitere 87,5 Millionen Euro für Tschernobyl-Projekte bewilligt. Allein der neue Sarkophag soll 2,2 Milliarden Euro kosten.

Der Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Yukiya Amano, erinnerte in Wien an den Unfall vor 30 Jahren. Trotz aller Tragik habe die Katastrophe auch den Informationsaustausch zwischen den IAEA-Mitgliedsstaaten deutlich verbessert, betonte er. Trotzdem dürften sich die Staaten nicht ausruhen. Atomare Sicherheit könne niemals als selbstverständlich angesehen werden, mahnte er.

Nach Meinung der Grünen im Bundestag sollte sich die Bundesregierung für einen europaweiten Atomausstieg stark machen. "Ich halte das für erfolgversprechend, wenn man deutlich machen kann, dass es erfolgreiche und ökonomisch sinnvolle Alternativen gibt", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Die Bundesregierung hatte nach der Kernschmelze im japanischen Fukushima 2011 den Ausstieg beschlossen.

30 Jahre nach dem verheerenden Unfall im Nachbarland Ukraine hat Atomenergie für viele Russen hingegen offenbar ihren Schrecken verloren. Einer aktuellen Umfrage zufolge halten knapp zwei Drittel eine Atomkatastrophe in Russland für unwahrscheinlich. Hingegen schließen 28 Prozent der Befragten einen neuen Reaktorunfall nicht aus, wie das staatsnahe Meinungsforschungsinstitut WZIOM mitteilte.

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