Papst Franziskus Ein neuer Stil

ROM · Papst Franziskus gestaltet den ersten Tag seines Pontifikats ganz bewusst mit Gebeten und Bescheidenheit.

 Vor der Basilika Santa Maria Maggiore: Papst Franziskus winkt den Beobachtern zu. Im Hintergrund Erzbischof Georg Gänswein, der den päpstlichen Haushalt führt.

Vor der Basilika Santa Maria Maggiore: Papst Franziskus winkt den Beobachtern zu. Im Hintergrund Erzbischof Georg Gänswein, der den päpstlichen Haushalt führt.

Foto: doa

Am Tag danach zählt jede Bewegung. Wen ruft der neue Papst als erstes an? Wo fährt er hin? Was zieht er an? Die Welt kennt Franziskus nicht, deswegen muss sie ihn jetzt besonders genau beobachten. Am Abend seiner Wahl hat er mit Einfachheit und etwas Unbeholfenheit beeindruckt. Was am Morgen danach passiert, am ersten ganzen Tag als Papst, das ist ebenso Programm wie Name, Kleidung, Gesten. Aber erst einmal liegen die meisten auf der falschen Fährte.

Wer am Abend der Wahl gehört hat, Franziskus wolle am nächsten Morgen zur Maria beten, für den gibt es in Rom nur eine Adresse, die Basilika Santa Maria Maggiore am Esquilins-Hügel. Sie ist berühmt für ihre frühchristlichen Mosaike, aber die gläubigen Römer wissen, dass in einer Seitenkapelle die Maria Salus Populi Romani prangt. Sie ist eine Art Schutzheilige der Stadt und verantwortlich für das Wohl des römischen Volkes.

Der Papst, Bischof von Rom, kommt zwar aus Argentinien. Aber seine Römer lässt er offenbar nicht im Stich. "Es sieht so aus, als hätten mich die Kardinäle vom anderen Ende der Welt geholt, aber ich bin hier", hat er am Vorabend auf der Loggia des Petersdoms gesagt. Um acht Uhr morgens warten zwei Dutzend Neugierige vor dem Haupteingang von Santa Maria, vor dem ein vatikanischer Gendarm wacht. Das ist ein gutes Zeichen. Aber als die Sirenen heulen und eine schwarze Limousine vorfährt, da öffnet sich ein Seitentor, in dem der Konvoi nahezu unerkannt verschwindet. Vom Papst sieht man gerade mal ein kleines Stück Soutane.

Wenig später sind aus erster Hand Details über den privat gehaltenen Besuch zu erfahren. Der Papst kniet vor dem Marienbild nieder und betet, er verharrt zehn Minuten in Schweigen und hat einen Blumenstrauß auf den Altar gelegt. Bevor er die Basilika verlässt, besucht er noch den Altar einer anderen Kapelle in der Kirche, in der Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, seine erste Weihnachtsmesse feierte.

Franziskus ist der erste Jesuit als Papst, auch der Weg zum Loyola-Altar hat also seinen Grund. "Das ist für Jesuiten ein bedeutender Ort", sagt Vatikansprecher Federico Lombardi, selbst ein Jesuit. Dann, nachdem Franziskus einigen jubelnden Kindern einer gegenüberliegenden Schule zugewinkt hat, rauscht die Limousine mit dem Papst davon. Es ist nicht der große Mercedes, mit dem Benedikt sich hell erleuchtet und unter großem Aufwand durch die Stadt chauffieren ließ. Es ist eine einfachere Limousine der Vatikangendarmerie.

Der neue Papst könnte nun, inspiriert vom Geist Mariens, zurück in den Vatikan fahren und erste Geschäfte verrichten oder Nominierungen vornehmen. Aber der Fahrer, so will es Franziskus, soll erst einmal in die Via della Scrofa nahe der Piazza Navona fahren. Dort, im Priesterhaus, hat Kardinal Jorge Mario Bergoglio vor dem Konklave gewohnt. Er holt sein Gepäck dort selbst ab und lässt es sich nicht etwa bringen. Er bezahlt die Rechnung und verabschiedet sich vom Personal. Der vatikanische Pressestab unter Lombardi legt viel Wert auf diese Details. Auch, weil sie die Kirche und ihr Oberhaupt plötzlich in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.

Auch Erzbischof Georg Gänswein, der Sekretär des emeritierten Papstes, ist als Präfekt des Päpstlichen Hauses bei den Terminen des Franziskus dabei. Gänswein war für den äußeren Stil Benedikts verantwortlich, für rote Mäntelchen und Hermelinmützen. Jetzt hat er es mit einem spartanischen Chef zu tun. Franziskus übrigens hat Benedikt am Abend seiner Wahl angerufen. Aber zu einem persönlichen Besuch kommt es am Tag nach der Wahl nicht. Damit sei in den nächsten Tagen zu rechnen, sagt der Vatikansprecher. Wer will, kann auch hier Prioritäten ablesen.

Alle Kardinäle, die sich am Tag nach der Wahl äußern, betonen den einfachen Stil Bergoglios. "Alles Höfische ist ihm fremd", sagt der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki. "Er hat die richtigen Zeichen gesetzt", sagt der Münchner Kardinal Reinhard Marx. "Schlichtheit und Klarheit", mag der Wiener Kardinal Christoph Schönborn an ihm. "Er hat auch sein einfaches Brustkreuz behalten." Wenn Franziskus keine großen Fehler macht, wenn seine Gesten nicht aufgesetzt, sondern ernst sind, wenn sich seine mutmaßlichen Verwicklungen zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien als harmlos oder unbegründet herausstellen, dann wird er der nächste Papst des Volkes. Das deutet sich jetzt schon an.

Johannes XXIII. war so eine Figur oder Johannes Paul I. Fast wirkt es so, als habe Benedikt erst mit einem Paukenschlag, dem Rücktritt, aber dann mit leisen, bescheidenen Tönen seinem Nachfolger den Weg geebnet. Franziskus ist in den Vatikan zurückgekehrt. Um 17 Uhr feiert er mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle die Messe. Es ist der Ort, an dem er nach seiner Wahl dem gehbehinderten Kardinal Dias aus Indien in die Arme fiel. Seine erste Handlung als Franziskus war es, auf diesen kranken Kollegen zuzugehen und nicht, das betonen alle Augenzeugen, die Huldigungen im Thron entgegenzunehmen.

Dann, später am Abend, ging es zurück ins Gästehaus Santa Marta. Franziskus wird hier wohnen, bevor die päpstliche Wohnung hergerichtet ist. Hinter der Basilika standen ein Kleinbus für die Kardinäle und die große, beleuchtete Papst-Limousine bereit. Franziskus nahm den Bus.

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