Korrespondent Dirk Hautkapp zur US-Wahl Donald Trump macht die Sensation perfekt

Washington · Im Kampf um das Weiße Haus gibt es in den USA eine Sensation: Am Mittwochmorgen kurz vor 9 Uhr schritt Donald Trump als Sieger über die Ziellinie. Der Milliardär schlug Favoritin Hilary Clinton. Das Protokoll eines historischen Wahltages.

Washington. Wovor sich weite Teile der Welt gefürchtet haben, ist eingetreten. Er hat es tatsächlich geschafft. Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Der Traum von der ersten Frau im Oval Office in der 240-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten ist geplatzt. In einem von fast allen Demoskopen nicht für wahrscheinlich gehaltenen Triumphzug eroberte der 70-jährige Republikaner in der Nacht zu Mittwoch Bundesstaat um Bundesstaat und siegte am Ende deutlich gegen seine Widersacherin Hillary Clinton.

An den internationalen Börsen sorgte die Nachricht für ein Beben, die Kurse stürzten ab. Die 69-jährige ehemalige First Lady und Außenministerin wurde ihrer Favoritenrolle nicht gerecht. Die politische Landkarte Amerikas sah in der Nacht tiefrot aus; die Farbe der Republikaner. Bis die Entscheidung um kurz vor 9 Uhr deutscher Zeit feststand, lieferten sich die Kontrahenten eine Achterbahnfahrt der politischen Gefühle. Das Protokoll eines historischen Wahltages:

Dienstag, 0 Uhr Ortszeit: Die ersten Wahllokale öffenen. Rund 165 Millionen Amerikaner trugen sich rechtzeitig in die Wählerverzeichnisse ein. Über 45 Millionen gaben bereits vorzeitig ihre Stimme ab. Letzte Umfragen attestieren Clinton eine klare Siegchance. Aber: „Trump ist für eine echte Überraschung gut“, sagen Meinungsforscher.

8.01 Uhr. In ihrem Wohnort Chappaqua nördlich von New York gibt Hillary Clinton mit Ehemann Bill (70) ihre Stimme ab. „Ich werde mein Bestes geben, wenn ich heute die Chance bekomme zu gewinnen“, sagt sie. Drei Stunden später trifft Donald Trump in Manhattan zur Stimmabgabe ein, umgeben von Ehefrau Melania und seinen Kindern. „Es sieht sehr gut aus“, sagt er. Demonstranten rufen: „New York hasst dich.“ Eine Frau, die mit nackter Brust gegen Trump zu Felde zieht, wird abgeführt.

13 Uhr: Trump lässt wieder einmal offen, ob er einen Wahlniederlage akzeptiert. „Man muss es sehen. Man hört so viele schreckliche Geschichten“, sagt er - und meint Wahlbetrug. Sein Sohn Eric schränkt ein: Ist Clintons Vorsprung am Ende klar, wird sich mein Vater beugen.

13.16 Uhr: Trumps Adlatus Rudy Guiliani, Ex-Bürgermeister von New York, leistet sich auf Twitter den ersten Aussetzer: „Wir können nicht zulassen, dass Schwarze und Latinos allein die Wahl für Hillary entscheiden. Alle anderen: Auf zur Wahl!“ „Rassismus pur“, sagen Reporter in New York.

14 Uhr: Trump-Leute reichen in Nevada Klage ein. Ein Wahllokal soll Öffnungszeiten überzogen haben. Eine Richterin schmettert den Antrag ab. Trump moniert Probleme mit Wahlmaschinen in Pennsylvania. Auch das wird zurückgewiesen. Von Clinton hört man nichts.

17.30 Uhr: 70 Prozent der Amerikaner haben ein Problem mit Trumps Frauen-Bild. Das sagen die ersten Befragungen von Wählern, die ihre Stimme abgegeben haben („exit polls“). Auch nicht vorteilhaft für ihn: 70 Prozent finden, dass Illegale nicht deportiert werden sollten. Über 50 Prozent lehnen Trumps Mauer-Plan an der Grenze zu Mexiko ab.

19 Uhr: Erste Wahllokale schließen. Interessant: 15 Prozent der Wähler waren Debütanten. 2012 gaben nur 9 Prozent zum ersten Mal ihre Stimme ab. Trump gewinnt Indiana und Kentucky, Clinton hat in Vermont die Zahlen für sich. 23 Stimmen im Wahlleute-Gremium vergeben. Hat nichts zu bedeuten. 270 Stimmen müssen es am Ende für den Sieg sein.

20 Uhr: Zeit für einen Schwung von neuen Prognosen: Clinton holt Illinois, New Jersey, Massachusetts, Maryland, Rhode Island, Delaware, Connecticut und die Bundeshauptstadt Washington DC; alles wie erwartet. Trump zieht Oklahoma, Tennessee, Mississippi und South Carolina auf seine Seite; auch das im Rahmen der Üblichen. Trump hat jetzt cirka 50 Wahlleute, Clinton 70.

20.10 Uhr: Ein alter Bekannter taucht wieder in den Schlagzeilen auf, diesmal positiv. Marco Rubio, einst Latino-stämmige Hoffnung der Republikaner für das Weiße Haus, bevor Trump ihn zerstörte hat, hat seinen Senatssitz gegen einen Demokraten verteidigt. Wichtig, um die konservative Mehrheit zu behalten.

20.30 Uhr: Die Hälfte der 50 Bundesstaaaten hat den Wahlvorgang abgeschlossen. Immer noch kein Trend. Zentrale Bundesstaaten wie Ohio, Florida, North Carolina, Pennsylvania, New Hampshire und Virginia sind noch mitten im Zählprozess.

20.25 Uhr: Traurige Nachricht, von der man jetzt noch nicht weiß, ob sie mit der Wahl zu tun hat: In Azusa im Süden Kalifornien kommt es zu einer Schießerei in der Nähe eines Wahllokals. Zwei Menschen sterben, zwei weitere werden verletzt.

20.33 Uhr: Hilfreich für Trump, wenn er gewinnt: Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus, einer der beiden Kammern im Kongress, ihre Mehrheit (bisher 247) verteidigt. Mindestens 218 Stimmen sind ihnen sicher, so die Sender CNN und CBS. Jetzt blickt alles auf den Senat. Dort sieht es nicht nach einem demokratischen Wachwechsel aus. Allein die an beiden Beinen amputierte Kriegs-Veteranin Tammy Duckworth hat ihrem republikanischen Konkurrenten Mark Kirk den Sitz im „Oberhaus“ entreißen können.

21 Uhr: Experten in Washington bereiten die Zuschauer auf eine „lange Nacht“ vor. Clinton schneidet gut in städtischen Milieus ab. Trump ist auf dem platten Land eine Macht - „alles noch offen.“

21.01 Uhr: Gute Nachricht für Hillary Clinton. Sie hat „ihren“ Bundesstaat, für den sie bereits im Senat saß, gewonnen: New York = 29 Stimmen. Dort ist auch Trump zuhaus. Der siegt dafür in Texas (38 Stimmen). Das Kopf-an-Kopf-Rennen geht weiter.

21.15 Uhr: Einer denkt schon an den Morgen danach. „Egal was passiert, die Sonne wird morgen wieder aufgehen, und Amerika wird auch weiterhin das großartigste Land auf der Welt sein“, sagt Präsident Obama - und ruft die Amerikaner nach der Schlammschlacht des Wahlkampfes zu eine Anstrengung der nationalen Einheit auf.

"Die Wut ist unterschätzt worden"

21.16 Uhr: Die Stimmung kippt. Stellvertretend für viele Experten stellt der renommierte Ökonom Paul Krugman anhand der ersten Ergebnisse fest, dass Trump eine echte Gewinnchance hat. Die „Wut des weißen, ländlichen Amerikas ist unterschätzt worden.“ Hintergrund: Abseits der großen Metropolen und Ballungsräume sind weit mehr Amerikaner an die Wahlurnen gegangen als erwartet. Wütende Amerikaner. Clinton reagierte intern: „Was immer auch passiert heute Nacht, ich bin stolz auf dieses Team, danke für alles.“

21.45 Uhr: Schreck für das Clinton-Lager. Clinton rutscht bei den Siegchancen von 85 % auf 49 % ab. Nicht irgendwo, sondern bei der New York Times. Die Börsen reagieren verschnupft. Der Dow Jones-Index fällt, ebenso der mexikanische Peso.

22.02 Uhr: Dann geht es Schlag auf Schlag. Clinton holt das wichtige Virginia. Trump kontert mit Ohio.

22.54 Uhr: Hiobsbotschaft und vielleicht schon die Vorentscheidung: Florida mit seinen 29 Wahlleuten geht an Trump. Er hat dort rund 130 000 Stimmen Vorsprung. Ebenso North Carolina. Zusammen 44 Wahlleute. Für Hillary Clinton wird es jetzt sehr eng, auch wenn sie Kalifornien (55 Stimmen) gewinnt. Clinton hat um 23.15 Uhr 197 Wahlleute, Trump 216.

24 Uhr: Es läuft immer schlechter für Clinton. Wisconsin, Iowa, Georgia, Utah; alles landet auf Trumps Konto. Ihm fehlen jetzt nur noch 16 Wahlleute zum Sieg.

0.30 Uhr: Winziger Lichtblick für Hillary Clinton. Der Wüstenstaat Nevada bleibt demokratisch; leider nur 6 Wahlleute.

0.40 Uhr: Hollywood-Stars, in großer Mehrzahl pro Clinton, werden nervös. Stellvertretend für viele schreibt der in Mexiko geboren Schauspieler Gael Garcia Bernal: „Wie peinlich, was für ein Land.“ Unterdessen meldet das kanadische Einwanderungsministerium den Absturz seiner Internetseite. Wollen die Amerikaner in großer Zahl auswandern?

0.55 Uhr: Im Hilton-Hotel in Midtown Manhattan laufen sich Tausende Fans von Trump allmählich warm für die Siegesfeier. Trump sei „bester Laune“, sagt seine Wahlkampf-Managerin. Aber noch ist es nicht endgültig. Wenige Kilometer entfernt in einem Messe-Zentrum am Hudson River, wo Clinton ihren Sieg feiern wollte, fließen unterdessen Tränen.

1.25 Uhr: Es kommt noch dicker. Nach Trumps Sieg hat er zudem den Kongress an seiner Seite. Die Republikaner behalten in beiden Häusern die Mehrheit. Die demokratischen Attacken liefen ins Leere. Regieren aus einem Guss für mindestens zwei Jahre. Dann wird wieder gewählt.

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