IS und die Taliban Diplomaten befürchten gegenseitige Radikalisierung

BANGKOK · Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) setzt ihren Siegeszug bei Asiens Extremisten fort. Just zum islamischen Opferfest verkündete Maulana Fazlullah, Chef von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP): "Wir unterstützen euch. Wir werden Gotteskrieger schicken und jede andere Unterstützung gewähren."

 Talibanführer Maulana Fazlullah unterstützt den IS.

Talibanführer Maulana Fazlullah unterstützt den IS.

Foto: DPA

Wenige Monate vor dem Abzug westlicher Kampftruppen aus Afghanistan bestätigen sich damit Befürchtungen, dass die Erfolge des IS in Syrien und im Nahen Osten Südasiens Extremisten zusätzlich radikalisieren könnte. "Es ist eine extrem gefährliche Entwicklung", erklärte ein afghanischer Diplomat gegenüber dieser Zeitung, "die Anfänge der Talibanmilizen Mitte der 90er Jahre mit ihren brutalen Methoden haben gezeigt, wie groß die Gemeinsamkeiten sind."

Mullah Omar, der "Führer aller Gläubigen", der neben den afghanischen Taliban formell auch das Sagen über den pakistanischen Ableger besitzt und dessen Organisation seit Ende der 90er Jahre mit Al Kaida verbündet ist, scheint von Fazlullahs Schulterschluss mit dem IS überrascht worden zu sein. In seiner traditionellen Botschaft zum Opferfest ruft er Gotteskrieger in aller Welt zur Einheit auf, erwähnt weder die neueste Entwicklung noch den IS und deren Traum vom Kalifat.

Der gegenwärtige pakistanische TTP-Chef Fazlullah bereitet Pakistans Regierung bereits seit langem Probleme. Im Jahr 2002 besetze er mit etwa 4500 Kämpfern das malerische Swat-Tal zwischen der Hauptstadt Islamabad und der Grenzstadt Peshawar. Er ist maßgeblich für den Kampf der Talibanmilizen gegen Polioimpfungen verantwortlich.

Seit Fazlullah, der sich vor mehreren Jahren wegen regelmäßiger Botschaften aus dem Untergrund mittels einer illegalen Rundfunkstation den Spitznamen Radio Mullah einhandelte, im Jahr 2013 die Führung der pakistanischen Taliban übernahm, tauchte er in der afghanischen Provinz Kunar unter und attackiert von dort Islamabads Grenzposten.

Afghanistan und Pakistan waren bislang zwar nicht die wichtigste Rekrutierungsregion für den Konflikt in Syrien und dem Irak. Aber auf dem Umweg über den Iran reisten Hunderte von Hazara-Kämpfern aus beiden Ländern in die Konfliktregion, um schiitische Heiligtümer gegen den sunnitischen IS zu verteidigen.

Geheimdienste schätzten Anfang 2014, dass außerdem 1000 bis 1500 sunnitische Talibankämpfer vom Hindukusch und Indus zum Heiligen Krieg nach Nahost gewechselt waren. Fazlullah bestätigte diese Zahl in seiner Botschaft und kündigte an: "Wir werden noch viele Kämpfer zu Euch schicken."

Seine Abkehr vom afghanischen Führer Mullah Omar, den verbliebenen Resten um Al Kaida im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet und seine neue Liebe IS dürften freilich neben ideologischen auch handfeste praktische Gründe besitzen. Seit nach dem Tod von Osama Bin Laden der Stern von Al Kaida am Terrorhimmel verblasste, verkümmerten auch die Geldströme.

Von Indonesien bis zum Golf von Arabien sammeln IS-Anhänger längst mehr Geld ein als ihre Konkurrenten. Die reichen Sponsoren in der islamischen Welt, die seit Jahren aus religiösen und wirtschaftlichen Motiven Terrorgruppen finanzieren, wenden sich ebenfalls zunehmend von den Taliban ab und der Terrortruppe IS zu.

In der pakistanischen Stadt Peshawar tauchten vor Wochen bereits Flugblätter auf, die für die Sache des bis nach Südasien reichenden islamischen Kalifats unter IS-Führer Abu Bakr al Baghdadi warben. Mullah Omar, bislang unumstrittener "Führer der Gläubigen", macht sich im Vergleich wie ein kleiner Provinzmullah aus.

Er strebte bislang ein Islamisches Emirat am Hindukusch an, sieht die Taliban mehr als lokale denn als pan-islamische Bewegung und betonte in seiner jüngsten Botschaft: "Wir streben nicht die alleinige Macht an." Die radikalsten seiner Gefolgsleute werden die Sätze allenfalls stirnrunzelnd zur Kenntnis genommen haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
14.04.2024, Israel, Tel Aviv: Flammen von
Israels Abwehr hält stand
Am Rande eines Krieges in NahostIsraels Abwehr hält stand
Zum Thema
Aus dem Ressort