Internetnutzung in Kuba Die WLAN-Jäger von Havanna

Havanna · Die kubanische Regierung hat ein paar WLAN-Hotspots für die Allgemeinheit freigegeben. Um sie herum sind neue Plätze der Gemeinschaft entstanden.

 Heiß begehrt: WLAN-Spots in Havanna.

Heiß begehrt: WLAN-Spots in Havanna.

Foto: dpa

Sie sitzen auf Treppen. In Häuser-Eingängen. Auf Fenstersimsen. An Bushaltestellen. Auf Straßenpollern. Oder mitten auf dem Bürgersteig. Sie haben Kopfhörer im Ohr und blinkende Gerätschaften in der Hand. Mitten in Havanna. Hauptsache einer der zurzeit zwei Dutzend Internet-Hotspots in der kubanischen Hauptstadt ist in Reichweite.

Zu Hunderten drängeln sich die Habaneros, Jugendliche wie Alte, Pärchen wie ganze Familien, täglich um die Daten-Tränken, die meist in einem der großen Hotels installiert sind. Mit Smartphones, Laptops und Tablets klinken sie sich in die WLAN-Netze ein, die der Staat in den vergangenen Monaten ebenso zögerlich wie schrittweise für die Allgemeinheit freigegeben hat. „Private Internet-Anschlüsse sind für normale Menschen verboten. Die Hotspots sind unser Tor zur Welt“, sagt der 22-jährige Guillermo und zeigt das bewegte IMO-Bild seines Cousins Jorge, der rund 300 Kilometer nördlich in Miami lebt. IMO ist wie Skype. Man sieht sich. Und quatscht. Kostenlos.

Wann immer es geht, und das Geld reicht, holen die beiden nach, was ihnen jahrelang verwehrt wurde: Kommunikation. Spielen. Lachen. Weinen. Schweigen. Und das in Echtzeit. Anschluss an das Internet-Zeitalter mit all seinen Verlockungen und Verheißungen eben. Fast allen. Seiten wie Ebay, mit denen sich Geld verdienen ließe, hat der sozialistische Internet-Filter komplett blind gestellt. Und um den Zugang zur Welt da draußen eng zu halten, wurde eine Preisstruktur eingezogen, die vielen einfach nur weh tut.

1 Stunde Surfen kostet 2 konvertible Pesos

WLAN (oder WiFi) ist anders als in Amerika oder Europa in Kuba nicht kostenlos. Um Online zu gehen, sagen wir unter Ausnutzung der tüchtigen Router des 4-Sterne-Hotels Capri im Regierungsviertel Vedado, müssen eigens codierte Zugangs-Karten des staatlichen Anbieters Entecsa gekauft werden. 1 Stunde Surfen kostet 2 konvertible Pesos, kurz CUC.

Das ist die künstliche Währung, die im (ungefähren) Verhältnis von 1:1 zum Dollar und zum Euro steht und den Dollarverkehr austrocknen sollte, der demnächst mit staatlicher Genehmigung wieder anlaufen wird. Nicht zu verwechseln mit dem National-Peso (1 CUC gleich 24 CUP), der an Attraktivität zunehmen verloren hat und nur noch zum Gemeinschafts-Taxifahren oder zum Kartoffelkaufen auf dem Markt benutzt wird. Bedenkt man, dass der monatliche Durchschnittslohn eines Arbeiters in Havanna 20 Euro beträgt, wird schnell klar: Internet ist ein sündhaftes teures Vergnügen in Kuba, das sich viele nicht leisten können.

„Aber es ist schon etwas besser geworden“, sagt Alejandro Rossello. Der 29-Jährige wohnt mit Bruder und Eltern in einem vom Meersalz zerfressenen Hochhaus mit Panorama-Blick aufs Wasser. Das Hotel Nacional, in dem US-Präsident Obama samt Frau und Töchtern noch bis Dienstag logiert, ist nur 500 Meter entfernt. „Das WLAN dort war für uns trotzdem lange unerreichbar. Umgerechnet acht Dollar die Stunde. Irre. Und dann war es auch noch sehr langsam.“

Alejandro und seine Freunde machen aus der Not eine Tugend. Fast jede E-Mail, längere Texte sowieso, werden offline vorgeschrieben. Zum Senden gehen die Nutzer kurz online, melden sich dann sofort mit dem Befehl 1.1.1.1. im Browser wieder ab, um ihr Minuten-Guthaben zu schonen. Eine Zwangs-Ökonomie, die lästig ist und auf offener Straße oft wunderbare Flüche auslöst, die man selbst in entschärfter Übersetzung hier nicht zitieren kann. Nur so viel: Es geht um Fidel Castro und ein bestimmtes Körperteil.

80 weitere Hotspots sollen in den nächsten Monaten folgen

Im Stadtbild hat die neue Internet-Welle, 80 weitere Hotspots sollen in den nächsten Monaten folgen und die Preise senken, wahre Knotenpunkte geschaffen. Nach Einbruch der Dunkelheit bieten sich dort bizarre Szenen, über die man sich einen Film vorstellen möchte. An der 23. Straße, im Volksmund „La Rampa“ genannt, ereignet sich Abend für Abend eine wahre Sinfonie flackernder Displays. Hier, ganz in der Nähe des Hotels Havanna Libre, in dem nach der Revolution 1959 Fidel Castro in der 23. Etage residierte und heute das Obama-Pressezentrum untergebracht ist, ist der größte Internet-Kontaktbahnhof der Stadt. Eine Art digitaler Buena Vista Social Club. Mit Kilobytes statt Noten.

Überall leuchten Handys und tragbare Computer, hinter den sich zwei, drei, manchmal vier User knubbeln, um Filme zu gucken, Musikvideos zu sehen oder mit Freunden in aller Welt zu telefonieren. Dazwischen lümmeln sich, Marihuana-Dealern nicht völlig unähnlich, die Verkäufer der Prepaid-Rubbelkarten, die das begehrte Passwort enthalten. Statt 2 CUC verlangen die Händler ohne mit der Wimper zu zucken 3 CUC. Die Nachfrage reguliert das Angebot. Kapitalismus im zerbröselnden Sozialismus. Die Marktwirtschaft in Kuba, sie fängt beim Browsen an.

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