Nach der Wahl von Donald Trump Die wahren Gewinner

Bonn · Die eigentlichen Profiteure von Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten sind die ohnehin schon Privilegierten unter den Amerikanern – wie sie zum Beispiel in der Kleinstadt Summit nahe der Metropole New York leben.

 Das derzeitige Hauptquartier des künftigen Präsidenten: Trump Tower an der Fifth Avenue in Manhattan, New York City. Die obersten drei Etagen (2800 Quadratmeter) bewohnt der Unternehmer mit seiner Familie privat.

Das derzeitige Hauptquartier des künftigen Präsidenten: Trump Tower an der Fifth Avenue in Manhattan, New York City. Die obersten drei Etagen (2800 Quadratmeter) bewohnt der Unternehmer mit seiner Familie privat.

Foto: afp

Summit im US-Bundesstaat New Jersey gehört zu den wohlhabendsten Kleinstädten des Landes. Viele der knapp 20.000 Einwohner haben gutbezahlte Jobs im nahe gelegenen Manhattan, das Durchschnittseinkommen ist doppelt so hoch wie im Rest der Vereinigten Staaten. Es gibt schicke Restaurants, eine Handvoll Privatschulen und ein breitgefächertes Freizeitangebot. Kurz gesagt: Summits Bürger haben es ziemlich gut. Verlierer der Globalisierung? Fehlanzeige. Summit ist die Heimat der Gewinner.

Trotzdem hat hier fast jeder Dritte für Donald Trump gestimmt.

Das amerikanische „Winner-Takes-All“-Wahlsystem verführt dazu, dieses Drittel zu vergessen. Anders als in parlamentarischen Wahlsystemen fallen alle Stimmen unter den Tisch, die nicht zur relativen Mehrheit gehören. In New Jersey gehen Präsidentschaftswahlen für gewöhnlich zugunsten der Demokraten aus, so auch in diesem Jahr. Doch immerhin 41 Prozent der Wähler haben ihr Kreuz bei Trump gemacht.

Ein recht nennenswerter Teil von ihnen gehört nicht zur momentan heiß diskutierten „vergessenen Arbeiterklasse“, die in Staaten wie Wisconsin oder Michigan das Zünglein an der Waage war. Genau genommen hat nahezu die Hälfte jener New Jerseyaner Trump gewählt, deren Pro-Kopf-Einkommen 100.000 Dollar pro Jahr übersteigt. Ihre Stimmen mögen nicht wahlentscheidend gewesen sein. Sie spielen aber eine entscheidende Rolle für das soziale Klima in den USA.

Steuerkonzept begünstigt Menschen wie ihn

Die wirklichen Profiteure von Trumps Sieg tragen keine leuchtend roten „Make America great again“-Kappen. Sie leben nicht in Amerikas Herzland, sondern in schmucken Vorstadtvillen an der Ostküste. Mit dem Niedergang der Kohleindustrie haben sie wenig am Hut. Und im Gegensatz zur „vergessenen Arbeiterklasse“, die eine diffuse Mischung aus Abstiegsangst, fehlender politischer Bildung, und – auch das sollte nicht vergessen werden – tief verankertem Rassismus zu Trump gebracht hat, erwartet seine wohlhabenden Anhänger definitiv eine Gegenleistung.

Das ist im Kern nichts Neues. Die Republikanische Partei pflegt seit Jahrzehnten eine mal mehr, mal weniger erfolgreiche Stammwählerschaft aus vielen reichen und sehr vielen nicht so reichen, sozial konservativen Weißen. Finanziell profitiert davon meist nur die erste Gruppierung.

Entgegen seiner anti-elitären Rhetorik unterscheidet sich Trump in diesem Punkt kaum von seinen Vorgängern. Sein verdächtig ausgefeiltes Steuerkonzept begünstigt vor allem Menschen wie ihn selbst. Ein Journalist filmte Trump kürzlich in einem New Yorker Nobelrestaurant. Der künftige Präsident schüttelte die Hände seiner offensichtlich gut betuchten Mitspeisenden und versprach: „Ich werde eure Steuern senken, keine Sorge“.

Es sind wahrlich nicht diese Menschen, die sich sorgen müssen. Die unbequeme Wahrheit lautet, dass eine für sie maßgeschneiderte Politik nicht ohne Sündenböcke funktioniert. Und die hat Trump in den vergangenen Monaten laut und deutlich exponiert.

Minderheiten als Sündenböcke

Die hässlichste Fratze seiner bevorstehenden Präsidentschaft zeigt sich schon jetzt jenen Minderheiten, die Trump zum Sündenbock erklärt hat. In den ersten zehn Tagen nach seinem Wahlsieg wurden landesweit fast 900 Hassdelikte gemeldet, die Dunkelziffer wird wesentlich höher geschätzt. Viele Täter beriefen sich explizit auf den künftigen Präsidenten, als sie zum Beispiel einem muslimischen Mädchen das Kopftuch entrissen. Oder Hakenkreuze auf das Klettergerüst eines jüdischen Spielplatzes schmierten.

Rassistische Ressentiments haben US-Politiker schon angezapft, bevor mexikanische Einwanderer Wahlkampfthema waren. Trumps Erfolg ist nicht zuletzt ein Resultat der dürftig aufgearbeiteten Vergangenheit eines Landes, in dem bis 1964 Rassentrennung herrschte. Texanische Schulbücher lehren Kindern auch 2016 noch revisionistische Geschichte, indem sie etwa den transatlantischen Sklavenhandel verharmlosen.

Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung wurde die Demokratische Partei zur politischen Heimat der afro-amerikanischen Bevölkerung. Bis heute errichten republikanische Gesetzgeber deshalb legislative Hürden, um schwarzen Wählern die Stimmabgabe zu erschweren. In Wahlkämpfen bedienen sie sich schon lange sogenannter „dog-whistle-politics“, ködern also Rechtsradikale mit verklausuliert rassistischen Botschaften, ohne die breite Masse moderater Wähler abzuschrecken.

Trump setzt diese „Hundepfeife“ ein wie kein Zweiter. Anders als Washingtons Berufspolitikern fehlt ihm jeglicher Filter, selbst die Unterstützung des Ku-Klux-Klans nahm er billigend in Kauf. Dieser Art der spaltenden Politik kommen zwei Dinge zugute: die US-Medien und der Umstand, dass Konfrontation im amerikanischen Alltag gerne umgangen wird.

„No politics, no religion“

Während Fernsehsender, allen voran Fox News, ihre Zuschauer mit einseitigen Nachrichten versorgen, die sie dann in der Echokammer ihrer Facebook-Timeline bestätigt sehen, lautet die ungeschriebene Regel des Smalltalks: „No politics, no religion“.

So kommentiert man zu Thanksgiving den köstlichen Truthahn oder das Wetter, Politik lässt man aber lieber Politik sein. Die Wahl Trumps scheint diese Tendenz sogar noch verstärkt zu haben, vielleicht gerade weil sie so viele Emotionen mit sich bringt. Rassismus ist ein unbequemes Thema, und wer möchte schon Onkel Bill zu nahe treten?

Diskutieren ist einfacher, wenn man einer Meinung ist. Die New York Times veröffentlichte deshalb in diesem Jahr kurz vor den ersten Feiertagen einen Fragenkatalog, der die politische Auseinandersetzung am Esstisch vereinfachen soll. Wie viele Familien ihn tatsächlich genutzt haben, ist nicht bekannt.

Tatsächlich hat Trump sich mit seinem Rechtspopulismus in ein längst gemachtes Bett gelegt. Parteikollegen, die sich vor dem 8. November noch öffentlichkeitswirksam von ihm distanzierten, stehen jetzt Schlange in der goldenen Lobby des Trump Towers und hoffen auf einen Posten in der Regierung. Macht über Moral.

Loyalität hat oberste Priorität

Doch Trump treibt keine politische Ideologie, geschweige denn eine Vision für Amerika. Donald Trumps Maxime ist Donald Trump, Loyalität sein wichtigstes Kriterium: Belohnt werden neben seinen Kindern erst einmal diejenigen, die ihm von Anfang an zur Seite standen.

Dass es sich dabei zum Teil um ultrarechte Hardliner handelt, ist für ihn genauso irrelevant wie die Konvention, nach einem polarisierenden Wahlkampf versöhnliche Töne anzuschlagen. Stattdessen gießt der 70-Jährige Öl ins Feuer, beschimpft auf Twitter seine Kritiker und verbreitet abstruse Verschwörungstheorien.

In Städten wie Summit wird man davon wahrscheinlich wenig spüren. Wenn der republikanische Kongress die Gesundheitsreform rückgängig macht, verliert hier kaum jemand seinen Versicherungsschutz. Sollte Trump entgegen seines Wahlkampfversprechens keine Arbeitsplätze in den Mittleren Westen zurückbringen, ändert das nichts an den gut bezahlten Jobs an der Wall Street.

Und wenn seine radikalsten Wähler Andersaussehende und Andersdenkende schikanieren, passiert das nicht in Summit, sondern dort, wo die Verzweiflung am größten ist. Summit bleibt die Heimat der Gewinner.

Die Bonnerin Luzia Ogureck, Jahrgang 1988, machte in diesem Jahr ihren Master im Fach North American Studies an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Ihre Abschlussarbeit („#wewantjustice: Black Advocacy in the Age of Twitter“) erhielt den Ambassador’s Award, gestiftet von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit September lebt die Journalistin in Summit, New Jersey.

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