US-Wahlen Die USA, Russland und die Angst vor dem Dritten Weltkrieg

Moskau · Mit einem US-Präsidenten Trump denkt Kremlchef Putin auszukommen, mit einer Präsidentin Clinton hätte er es schwerer. Doch das Verhältnis der zwei größten Atommächte ist in den Grundfesten erschüttert.

Im Zweikampf um die US-Präsidentschaft ist ein Dritter ständig präsent gewesen: Russlands Staatschef Wladimir Putin. Hat er oder hat er nicht versucht, Einfluss auf die Wahl zu nehmen - zum Beispiel durch Hackerangriffe auf Computersysteme der Demokraten? Auf wen hofft der Mann im Kreml, selbst 16 Jahre an der Macht, als neues Gegenüber im Weißen Haus: Auf Hillary Clinton oder Donald Trump?

Putin spottet über diese Diskussion in den USA. „Glaubt wirklich jemand im Ernst, dass Russland die Wahl des amerikanischen Volkes beeinflussen kann? Ist Amerika etwa eine Bananenrepublik?“, fragte der Kremlchef vor Russlandexperten. „Amerika ist eine Großmacht.“

Doch das Verhältnis zwischen der Supermacht USA und dem wiedererstarkenden Russland ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. „Man kann die Spannungen mit dem Kalten Krieg der 1950er und 1960er Jahre vergleichen, die von Krisen wie Korea, Berlin und Kuba geprägt waren“, schreibt die Moskauer „Nesawissimaja Gaseta“.

Auf beiden Seiten macht das Wort von einem möglichen Dritten Weltkrieg die Runde. Fast die Hälfte der Russen erwartet ihn einer Umfrage zufolge wegen des Syrien-Kriegs. Dort fliegen Kampfjets beider Mächte; ein Fehler, ein nervöser Finger am Abzug kann den Konflikt der Großmächte eskalieren lassen. Im November 20165 hatte das Nato-Mitglied Türkei einen russischen Flieger abgeschossen.

Putins Probleme mit Obama

Im Osten Europas rüsten Russland wie die Nato wieder auf. Den Vertrag vom Jahr 2000 über die Vernichtung von Waffenplutonium hat Russland gekündigt, weil auch die USA ihn nicht erfüllen. Der INF-Vertrag von 1987, das Verbot nuklearer Kurz- und Mittelstreckenraketen wackelt.

Mit dem scheidenden Präsidenten Barack Obama kam Putin nicht gut aus. Dessen „Neustart“ in den Beziehungen zu Russland von 2009 galt dem damaligen liberalen Staatschef Dmitri Medwedew, nicht dem Ex-Geheimdienstler Putin, der 2012 in den Kreml zurückkehrte. Auch dass Obama Russland eine „Regionalmacht“ nannte, nahm Moskau übel.

Russland ist im eigenen Verständnis in den 25 Jahren seit Auflösung der Sowjetunion, seit dem Ende des Kalten Krieges von den USA nur hintergangen und gedemütigt worden. Umso vehementer ist Putin in Lücken gestoßen, die Obamas Rückzug aus weltpolitischen Konflikten gelassen hat.

Obama setzte im Syrien-Krieg weder eine Flugverbotszone durch, noch ließ er eine Strafe folgen, als Machthaber Baschar al-Assad mit Giftgasangriffen eine „Rote Linie“ überschritt. Wer heute über Syrien und dem Nahen Osten fliegen darf oder nicht, das bestimmt letztlich Russland mit seinen starken Luftabwehrsystemen S-300 und S-400. Moskau hat Assad militärisch stabilisiert. In die kommenden Monate, in denen Washington mit dem Amtswechsel beschäftigt ist, könnte die symbolträchtige Rückeroberung der umkämpften Stadt Aleppo fallen.

Im US-Wahlkampf vertrat - in Umkehrung der Tradition - der Republikaner Trump eine prorussische Position. Der Milliardär stellte sogar in Aussicht, die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland anzuerkennen.

Trump und Russland gleichen sich beim Misstrauen

Solche Zuneigung zu Russland sei für einen US-Politiker neu, das Establishment werde sie Trump nicht durchgehen lassen, schrieb das kremltreue Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“. Man werde ihm einen Sieg aberkennen. Sogar über Mord orakelte der Autor: „Ich würde eine dramatische Wendung á la John F. Kennedy nicht ausschließen.“

Im Misstrauen gegen die etablierte Politik der USA gleichen sich Trump und der Kreml. Putin hat sich freundlich über den Republikaner geäußert. Er nannte ihn extravagant, aber das sei Trumps persönliche Art, „die Herzen der Wähler zu erreichen“. Putins Verhältnis zu Clinton gilt als gespannt. In den TV-Debatten gab die Demokratin die Falkin, die auf Eindämmung (Containment) Russlands setzt.

Doch der einfache Gegensatz - der unberechenbare, aber vielleicht lenkbare Trump oder die bissige, aber erfahrene Clinton - gelte nicht, sagt der kremlnahe Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow. Das bilaterale Verhältnis sei grundsätzlich gestört. Auch ein Präsident Trump werde es nicht im Alleingang verbessern können.

„Wenn Hillary Clinton gewinnt, gibt es nur ein Positives: Sie gilt als so anti-russisch, dass jedes Zeichen von Mäßigung eine große Überraschung wäre“, schrieb Lukjanow für die Carnegie-Stiftung in Moskau. „Wir müssen uns wünschen, dass wer immer US-Präsident wird, cool bleibt und sich rhetorisch zurückhält - was aber in Amerika selten geworden ist.“

Allerdings hält sich auch Putin mit Herausforderungen für die neue US-Führung nicht zurück. Über den Plutonium-Vertrag will er erst wieder reden, wenn die USA Unerfüllbares leisten: Ein Ende aller Sanktionen gegen Russland und finanzielle Entschädigung, Rückzug der US-Truppen und Militärbasen aus den neuen Nato-Ländern in Osteuropa.

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