Kommentar zur neuen Flüchtlingskatastrophe Die Toten im Meer

Meinung | Brüssel · Ein Ende des erbitterten Streits über die Seenotrettung ist nicht in Sicht. Unbestritten bleibt, dass die Katastrophe im Mittelmeer weitergeht, kommentiert Detlef Drewes.

Die Opfer können nicht mehr anklagen. Weder die über 100 Toten vom Donnerstag noch die Tausenden davor. Die EU-Staaten haben den Schock grausamer Bilder ebenso problemlos weggesteckt wie die endlosen Appelle für mehr Solidarität. Dabei sind die 28 Regierungen nicht untätig gewesen. Seit dem Anschwellen der Flüchtlingsströme vor vier Jahren wurden lange Listen von Beschlüssen gefasst. Selbst bei der Bekämpfung der kriminellen Menschenschmuggler kann man in Brüssel auf beachtliche Erfolge verweisen.

Unbestritten bleibt aber auch, dass die Katastrophe im Mittelmeer weitergeht. Das Konzept der italienischen und maltesischen Regierung, die sich zurecht darüber beklagen, von den übrigen EU-Familienmitgliedern alleine gelassen zu werden, geht auch nicht auf. Die Abschreckung ist ebenso gescheitert wie die Solidarität.

Natürlich versagen zu allererst die Herkunftsstaaten und jene, denen es nicht gelingt, die kriminellen Menschenhändler in ihrem Land zu bekämpfen. Aber die Regierungen dieser Regionen wissen eben auch, welche Druckmittel sie in der Hand haben, um die EU zu mehr Unterstützung zu zwingen. Die Hilfe für Afrika fällt bisher kärglich aus. Europa kann sich nicht mit Verweis auf die große Aufgabe, Afrikas Problemzonen aufpäppeln zu müssen, aus der Verantwortung für die Situation im Mittelmeer verabschieden.

Der Rückzug aus der Seenotrettung, das Verweigern der Aufnahme jener Hilfesuchenden, die ein Recht auf Asyl haben, widerspricht den eigenen Werten. Wenn trotzdem etliche Staaten eine Reform des gemeinsamen Asylrechtes verweigern, sollten sich eben die, die ihre Verantwortung ernstnehmen, zusammenschließen. jeder Tag, der ohne eine Lösung verstreicht, kostet schließlich neue Opfer.

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