Bezeichnung für das gesamte Land Die Niederlande wollen den Namen Holland loswerden

Amsterdam · Seit Jahresbeginn ist in den Niederlanden das Wort Holland als Synonym für das gesamte Land im offiziellen Sprachgebrauch gestrichen. Es gibt auch ein neues Logo. Über den Versuch eines Imagewechsels.

 Die Niederlande wollen nicht mehr Holland heißen. Deshalb gibt es auch ein neues Logo: Das alte (unten) und neue Logo der Niederlande.

Die Niederlande wollen nicht mehr Holland heißen. Deshalb gibt es auch ein neues Logo: Das alte (unten) und neue Logo der Niederlande.

Foto: GA Grafik

Für den Kollegen steht ein langes Wochenende bevor. Das Grinsen zeugt davon. Ein bisschen entspannen, Füße hochlegen, die Seele baumeln lassen. „Fährst du weg?“ – „Ja, nach Holland“, antwortet der Kollege, der nicht weiß, dass er hier Bestandteil des Textes wird. Aber das muss er aushalten. Holland also. Das liebste Urlaubsziel der Deutschen, zumindest, wenn man eigentlich die Niederlande meint.

Doch selbst der Duden führt „Holland“ auch als Synonym für die Niederlande. Die erste Bedeutung ist freilich eine andere. Holland ist kein Land, sondern ein Landesteil. Zwei der zwölf niederländischen Provinzen bilden die Region Holland. Aber niemand würde darüber stolpern, wenn man statt Niederlande einfach Holland sagt. Naja, bis auf die Niederländer.

Seit Jahresbeginn ist in den Niederlanden das Wort Holland als Synonym für das gesamte Land im offiziellen Sprachgebrauch gestrichen. Immer mehr Bürger fühlten sich durch „Holland“ nicht mehr vertreten, heißt es vom Niederländischen Büro für Tourismus & Convention. Das mag sein, doch waren es nicht wir, die Deutschen, Franzosen, Briten oder auch Amerikaner, die „Holland“ als Markennamen etabliert haben, sondern die Niederländer selbst.

Region Holland stach heraus

Gut 350 Jahre zurück. Das kleine Volk im Westen Europas erlebte seinen absoluten Höhepunkt. Es waren nicht nur wirtschaftliche Blütejahre. Das sogenannte Goldene Zeitalter wurde auch zu einer der bedeutendsten Kunstepochen. Die noch junge Republik der Sieben Vereinigten Provinzen kam mit der wohl liberalsten und tolerantesten Regierung Europas zu der Zeit daher. Von überall pilgerten Kaufleute und Intellektuelle nach Friesland und Gelderland, nach Groningen und Overijssel, nach Utrecht und Zeeland. Doch eine Region stach heraus: Holland. Auch wenn es für die anderen Provinzen schwer zu verkraften war, ohne Holland lief nichts. Holland hatte Amsterdam, Den Haag, Rotterdam.

Die Dominanz der Provinz wuchs und damit die Kraft des gesamten Landes. Als 1815 das Königreich der Niederlande gegründet wurde, war Holland längst über alle Landesgrenzen bekannt. Die Bezeichnungen verschmolzen. Die Niederländer selbst hatten damit anfangs noch nicht mal ein Problem. Bis in die heutige Zeit hinein investierten sie in die Promotion des Namens Holland. 42 Prozent der Niederländer sagen noch immer, sie kämen aus Holland, wenn sie im Ausland nach ihrer Herkunft gefragt werden. Die wichtigen Städte des Goldenen Zeitalters haben ihre Bedeutung nicht verloren: Den Haag ist heute Regierungssitz, Amsterdam die wuselige, bunte Hauptstadt voller Leben und Rotterdam die Wirtschaftshochburg mit einem der größten Seehäfen der Welt. Tulpen und Windmühlen prangten bis zuletzt noch auf jedem Prospekt des Tourismusbüros, selbst das Logo bestand aus einer Tulpe und dem Wort „Holland“. Natürlich alles in Orange. Die Niederländer machten es uns schwer, nicht von „Holland“ zu sprechen.

„Hup, Nederland, hup“

Man könnte auch sagen, die PR-Abteilung hatte den idealen Markennamen gefunden. Und wir trugen ihn weiter in die Welt. Selbst schuld. Das nun rückgängig zu machen, dürfte nicht einfach werden. Aber wir können es ja mal versuchen. Fans der Oranje würden also im Stadion künftig „Hup, Nederland, hup“ rufen. In den Konzerthäusern würde Richard Wagners berühmte Oper „Der fliegende Niederländer“ aufgeführt. Zu Spargel servierten wir Sauce Niederlandaise, was der frühere französische Staatspräsident François Niederlande äußerst befremdlich finden würde. Albern? Ja natürlich.

Auch Friso Wielenga, Historiker und Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Universität Münster, kann der Namensanpassung nicht viel abgewinnen: „Ich bin skeptisch, ob es gelingt, diese lange Tradition aufzubrechen. Zumal man die Klischees jahrzehntelang selbst bedient hat.“ Regierung und Tourismusmarketing gehen jedenfalls vorsichtig vor. Noch ist von der neuen Imagekampagne außerhalb der Niederlande wenig zu sehen. Das Tourismusbüro nennt sich noch immer NBTC Holland Marketing. Das neue Logo sucht man auf den offiziellen Websites vergeblich. Es zeigt die Buchstaben „NL“, daneben das Wort „Netherland“. International will man sich künftig präsentieren, nicht provinziell. 200.000 Euro kostet das Vermarkten. Ein bisschen Klischee musste aber offenbar trotzdem sein: Die Buchstaben N und L formen eine Tulpe. Auch der „offizielle Reiseführer“ des Landes ist weiterhin über holland.com zu erreichen, während die Domain nederland.com für gut 55.000 Euro zum Verkauf steht.

„The Netherlands“ beim Eurovision Song Contest

Viel Zeit, die Imagekampagne auf den Weg zu bringen, ist nicht mehr. Schon im Mai steht der Eurovision Song Contest an, der in Rotterdam ausgetragen wird. Hier will man sich als „The Netherlands“ präsentieren. „Holland“ soll da bitte nicht mehr auftauchen. Und auch bei den Olympischen Spielen in Tokio im Juli und August wäre es doch schön, wenn die Medaillen in die Niederlande und nicht nach Holland gingen, wobei bei solch offiziellen Veranstaltung der Sprachgebrauch eigentlich schon immer der richtige war.

Vielleicht wird die Kampagne am Ende auch nur zur Befriedung der Provinzen beitragen. Denn vor allem im Süden des Landes ist man auf die Hybris der holländischen Regionen nicht gut zu sprechen. „Wenn Sie in Limburg sagen ,Schön hier in Holland’, ist das Gespräch beendet“, sagt Friso Wielenga. Die Holländer wiederum nennen die südlichste Provinz auch schon mal leicht abschätzig „Limbabwe“.

Den eingangs erwähnten Kollegen gilt es übrigens zu begnadigen. Sein Kurztrip ging nach Haarlem, in die Hauptstadt Nordhollands. Also alles richtig gemacht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Der Kaiser ist nackt
Kommentar zu Donald Trump Der Kaiser ist nackt
Zum Thema
Aus dem Ressort