Fluchtversuch in Syrien Der IS duldet keine Aussteiger

ISTANBUL · Mit viel Erfolg wirbt der "Islamische Staat" (IS) um Extremisten aus Europa und anderen Weltgegenden, die sich in Syrien und im Irak der Dschihadisten-Miliz anschließen.

 Schwere Gefechte liefern sich die irakische Armee und Kämpfer des IS nahe Tikrit. Die Islamisten gehen mit aller Härte gegen Deserteure in den eigenen Reihen vor.

Schwere Gefechte liefern sich die irakische Armee und Kämpfer des IS nahe Tikrit. Die Islamisten gehen mit aller Härte gegen Deserteure in den eigenen Reihen vor.

Foto: dpa

Doch ein Zurück gibt es für die Terror-Touristen aus dem Ausland oft nicht: Der IS lässt sie nicht ohne Weiteres wieder nach Hause fahren. Im nord-syrischen Al-Bab starben jetzt mindestens neun Menschen bei einem Feuergefecht zwischen rückkehrwilligen IS-Kämpfern und den Wachen der Miliz. Der IS duldet keine Aussteiger.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, in Al-Bab hätten mindestens neun Europäer und ein Tunesier versucht, sich vom IS abzusetzen und in die nahe Türkei zu fliehen; die Grenze verläuft nur 30 Kilometer nördlich der Stadt. Die IS-Dissidenten brachen aus einem Gefängnis der Dschihadisten-Miliz aus, in dem sie nach einem früheren Fluchtversuch inhaftiert waren. Die Ausbrecher und die IS-Wachen lieferten sich ein Feuergefecht, bei dem fünf Aussteiger und vier Wachleute getötet wurden. Was aus den anderen IS-Häftlingen wurde, ist nicht bekannt.

Bei anschließenden Auseinandersetzungen in einem anderen Gefängnis des IS in Al-Bab brachen auch inhaftierte Kurden und syrische Zivilisten aus. Die meisten seien später wieder gefasst worden. Dennoch seien die Vorfälle Zeichen einer gewissen Schwäche des IS, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdulrahman, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Dschihadisten-Miliz, die im vergangenen Jahr große Teile von Syrien und des Iraks erobert hatte, musste im Januar die Belagerung der nordsyrischen Kurdenstadt Kobane aufgeben, ein schwerer Rückschlag für die Extremisten. Irakische Regierungstruppen begannen vergangene Woche mit einem Großangriff auf den IS in der Stadt Tikrit.

Dank seiner militärischen Erfolge und seiner kompromisslosen Brutalität übt der IS eine große Anziehungskraft auf gewaltbereite Islamisten in aller Welt aus. Mehr als zehntausend Muslime aus Europa, Nordafrika und arabischen Staaten haben sich der Gruppe angeschlossen. Neuankömmlinge begeben sich laut Presseberichten völlig in die Hand des IS und müssen Pässe und Handys abgeben. Wer das ablehnt, wird von seinen Vorgesetzten hart bestraft und manchmal hingerichtet. Eine Rückkehr ist für viele unmöglich. IS-Rückkehrer sprechen von grausamen Strafen für alle, die den Machtbereich der Miliz ohne Erlaubnis verlassen wollen.

Auch der Berliner IS-Kämpfer Benjamin Xu, der nach seiner Rückkehr aus Syrien im vergangenen Jahr in der Türkei verhaftet wurde, berichtete jetzt von mehreren Fluchtversuchen. Er sei zusammen mit seinem Vater zum IS gereist, sagte Xu laut Medienberichten der türkischen Staatsanwaltschaft. Als sein Vater in einem Gefecht getötet wurde, habe er die Gruppe verlassen wollen und sei deshalb inhaftiert worden. Ein zweiter Fluchtversuch zusammen mit einem Schweizer und einem mazedonischen IS-Mitglied sei dann geglückt. Doch in der Türkei war die Flucht zu Ende. Xu und seine beiden Weggenossen erschossen an einem Kontrollposten in Anatolien drei Menschen. Jetzt droht ihnen lebenslange Haft.

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