TV-Duell im US-Wahlkampf Clinton zwingt Trump in die Defensive

Washington · Punktsieg für eine kühle Clinton, Patzer beim aufgekratzten Trump: Eine Einzelkritik der US-Präsidentschaftskandidaten nach dem Schlagabtausch.

 Sie streberhaft, nicht in der Lage, weniger gebildete Amerikaner anzusprechen, er unvorbereitet und ungeschickt: Hillary Clinton und Donald Trump haben die erste TV-Debatte hinter sich.

Sie streberhaft, nicht in der Lage, weniger gebildete Amerikaner anzusprechen, er unvorbereitet und ungeschickt: Hillary Clinton und Donald Trump haben die erste TV-Debatte hinter sich.

Foto: picture alliance / dpa

Wenn Frank Luntz und seine „Fokus“-Gruppen Donald Trump von der Fahne gehen, ist bei den Republikanern Alarmstimmung angesagt. Der rechtspopulistische Medienprofi schaut nach Wahldebatten in Amerika regelmäßig für den (Trump-freundlichen) Fernsehsender Fox News dem Volk genau aufs Maul. Von 20 anhand des Bevölkerungs-Querschnitts ausgesuchten Gästen hatten nur drei den Eindruck, der New Yorker Bau-Milliardär habe in der ersten TV-Debatte um die Präsidentschaft gegen seine in Umfragen ebenfalls herzlich unbeliebte Konkurrentin Hillary Clinton die Oberhand behalten.

Bei der Konkurrenz von CNN sah das Verhältnis nach dem 90-minütigen Schlagabtausch in der Hofstra-Universität bei Hempstead im Bundesstaat New York so aus: 62 Prozent für Clinton, 27 Prozent für Trump. Für den 70-Jährigen ein Schlag ins Kontor. Bei seinem ersten Rendezvous mit Millionen Wählern, viele davon noch unentschlossen, hinterließ der politische Seiteneinsteiger bis auf wenige Momente konstant den Eindruck der Überforderung. Was lief falsch? Wie könnte Donald Trump die zweite Debatte am 9. Oktober für sich entscheiden? Eine Reparatur-Anleitung.

Was muss Trump ändern?

Er muss generell den Egomanen in sich an die Kette legen. Sein permanentes Eigenlob („Ich habe ein unglaubliches Unternehmen aufgebaut“) mag Rechtsaußen-Republikaner beeindrucken. Vor großem Publikum, in dem viele liberal, moderat oder demokratisch getaktet sind, stinkt es unangenehm. Zumal Clinton auf Wir-Gefühl setzt („stronger together“).

Ein ähnliches Eigentor schoss Trump bei der notorisch heiklen Steuerfrage. Clinton wies ihm nach, dass es Jahre gab, in denen Trumps Berater ihn so arm rechneten, dass er gar keine Einkommensteuer zahlte. Mögen Amerikaner gar nicht. Denn vor allem mittlere Einkommen, die wenige Abzugsmöglichkeiten haben, landen leicht bei 35 bis 40 Prozent „Income-Tax“. Trumps prahlerischer Zwischenruf, seine Steuervermeidung sei der Beleg für seine „Schlauheit“, wird ihm noch „sehr leidtun“, schreiben US-Kommentatoren.

Donald Trump muss sich außerdem besser vorbereiten. In fast allen Themenkomplexen wirkte er unsouverän, nicht auf der Höhe, teilweise sogar verwirrt. Beispiel: Sein zehnjähriger Sohn sei sehr flink und kundig im Umgang mit Computern, sagte Trump, um direkt anzufügen, dass Maßnahmen gegen Internet-Kriminalität (Cyber-Sicherheit) die wichtigste Aufgabe kommender Regierungen seien. Im republikanischen Ringkampf hat Trump mit solchen Irrläufern 16 Konkurrenten kirre gemacht. Gegen Hillary Clinton reicht dieser Wort-Salat nicht. Substanz muss her. Trump hat sie bisher nicht gezeigt.

Dazu muss er einen Weg finden, seine vielleicht größte Charakterschwäche – eine Mischung aus Sexismus und Rassismus – besser zu verbergen. Clinton warf ihm vor, Frauen öffentlich „als Schweine, Schlampen und Hunde“ bezeichnet zu haben. Eine ehemalige Schönheits-Königin würdigte er sogar als „Fräulein Haushälterin“ herab, weil sie aus Latein-Amerika stammt. Trump ließ die wasserdicht belegbare Kanonade ohne Widerspruch über sich ergehen. In der weiblichen Wählerschaft, in der Trump auf lausige Zustimmungswerte kommt, gab das keine Sympathiepunkte.

Außerdem gilt: Wenn schon öffentlich lügen, dann geschickter. Trump stritt vor laufender Kamera ab, ins Lager derer zu gehören, die den Treibhauseffekt für Hokuspokus halten. „Das habe ich nie gesagt.“ Hat er doch. „Der Klimawandel wurde von und für die Chinesen erfunden, weil sie amerikanische Firmen aus dem Rennen werfen wollen.“

Trump muss zudem bei Clintons Altlasten nachbohren. Bestes Beispiel: die E-Mail-Affäre. Clintons törichter, am Rande des Strafbaren angesiedelter Gebrauch eines privaten E-Mail-Servers zu Zeiten als Außenministerin. Seit Monaten ein Mega-Thema, bei dem noch Fragen offen sind. Clinton beerdigte die Sache mit einem einzigen Satz: „Ich habe einen Fehler gemacht, private Konten genutzt zu haben.“ Trump machte nicht einmal den Versuch des Nachsetzens. Clinton begriff das sofort. Und spielte ihn bis zum Ende an die Wand.

Trump sollte auch seinen Wirklichkeitsverlust unter Kontrolle kriegen. Am Ende der Debatte, als er nach vielen unbeherrschten Zwischenrufen alle halbwegs neutralen Punktrichter gegen sich hatte, attestierte er sich mit kindlichem Trotz: „Ich habe eine viel bessere Urteilsfähigkeit als sie. Ich habe auch ein viel besseres Naturell als sie. Mein größter Vorteil ist mein Temperament. Ich habe ein gewinnendes Naturell.“ Im Publikum der Hofstra-Universität, dem vorher jede Meinungsäußerung verboten wurde, war lautes Prusten nicht zu überhören.

Und zu guter Letzt: Trump darf Clinton in den nächsten beiden Debatten (9. und 19. Oktober) nicht mehr förmlich zum Abwatschen einladen. Auf seine steile Behauptung, Clinton mangele es am nötigen „Stehvermögen“ für das Amt der Präsidentin, gab sie mit stoischer Miene und Blick auf ihre Bilanz als Außenministerin zurück: „Sobald Donald in 112 Länder reist, ein Friedensabkommen verhandelt, eine Waffenruhe, die Freilassung von Regierungsgegnern, oder auch einfach nur elf Stunden vor einem Kongressausschuss aussagt, kann er mit mir gern über Stehvermögen reden.“ Volltreffer.

Und was muss Hillary Clinton tun?

Sie muss sich das Streberhafte, Perfektionistische abschleifen. Sie wirkte oft „übertrainiert“, schien auf jede denkbare Spitze Trumps bis zum fünften Spiegelstrich mit einstudierten Kontern vorbereitet. Es menschelte zu wenig. Sie trifft, anders als Trump, nicht den Ton, um das einfache, weniger gebildete Amerika zum Zuhören zu zwingen. Noch zu oft geraten ihre Ausführungen zu Pro-Seminaren. Amerika wartet noch immer auf die echte Hillary Clinton.

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