Beginn der Klimakonferenz in Bonn Bundesregierung will ärmere Staaten unterstützen

Bonn · Unter dem Vorsitz von Fidschi ist die Klimakonferenz in Bonn gestartet. Schon zum Auftakt sagten Umweltministerin Barbara Hendricks und Entwicklungsminister Gerd Müller neue finanzielle Hilfen für den Klimaschutz in ärmeren Ländern zu.

 Auf dem Weg zur Bühne: Marokkos Außenminister Salaheddine Mezouar, der Präsident von Cop22 und Umweltministerin Barbara Hendricks. Rechts daneben: Entwicklungsminister Gerd Müller, Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Klimarahmenkonventions-Chefin Patricia Espinosa.

Auf dem Weg zur Bühne: Marokkos Außenminister Salaheddine Mezouar, der Präsident von Cop22 und Umweltministerin Barbara Hendricks. Rechts daneben: Entwicklungsminister Gerd Müller, Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Klimarahmenkonventions-Chefin Patricia Espinosa.

Foto: Benjamin Westhoff

Einen kleinen Moment ist Barbara Hendricks dann doch etwas verunsichert. Da sitzt die Bundesumweltministerin am Montagvormittag bei der Eröffnung der Klimakonferenz auf dem Podium im großen Saal des WCCB in Bonn neben dem Präsidenten von Fidschi, Frank Bainimarama, als ihr plötzlich eine überdimensionale Kette überreicht wird. Was tun damit – diese Frage zeichnet sich kurz, aber unübersehbar in ihrem Gesicht ab, bevor eine hilfreiche Hand sie erlöst und ihr die Kette abnimmt.

Unten im Saal haben sich junge Männer aus Fidschi in Baströcken und mit bunten Ketten aus Stroh um den Hals um eine große Schüssel aus Holz versammelt. Sie trommeln, stoßen laute Rufe aus und fabrizieren auf rätselhafte Weise ein Getränk, das die Bundesumweltministerin dann auch noch probieren muss. Bula – auf Fidschi „Willkommen“ – ist der Geist dieser Zeremonie, mit der Gastgeber Fidschi die Weltklimakonferenz eröffnet.

Es ist das erste Mal, dass ein kleiner Inselstaat die Präsidentschaft bei Klimaverhandlungen innehat, und allein mit dieser Tatsache verbinden sich hohe Erwartungen auf einen Perspektivwechsel, der eine neue Dynamik in die internationale Klimapolitik bringen könnte. Denn den kleinen Inselstaaten im Pazifik steht das Wasser buchstäblich bis zum Hals – sie gehören zu jenen Ländern, die schon jetzt am meisten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Gelingt es nicht, den Anstieg der Erderwärmung auf weniger als zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, werden die Ozeane weiter ansteigen und die Inseln verschlingen.

Schnelles Handeln gefordert

Kein Wunder, dass Bainimarama das im Pariser Klimaabkommen von 2015 verankerte Zwei-Grad-Ziel in der Regel gar nicht erst anspricht – für ihn sind 1,5 Grad das Maß der Dinge: „Das ist das Minimum, was wir erreichen müssen.“ Die Notwendigkeit, schnell zu Handeln, sei unübersehbar, mahnt er zum Auftakt der Klimakonferenz und zählt auf: „Tödliche Hurrikans, Überschwemmungen, Dürren, schmelzende Eisberge.“ Und zugleich sei 2016 ein Rekordjahr an Treibhausgasemissionen gewesen. „Unser Job ist es, darauf Antworten zu finden“, appelliert er an die Delegierten aus mehr als 190 Staaten, „wir dürfen nicht versagen vor unseren Völkern. Das ist der Moment der Wahrheit für alle in diesem Raum. Wir sitzen alle im selben Kanu.“

Die Bonner Klimakonferenz ist mit bis zu 25 000 Teilnehmern die größte internationale Konferenz, die je in Deutschland stattgefunden hat. Die Aufgaben, die vor den Delegierten liegen, sind klar: Es gilt, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen. „Paris war das Grundgesetz, jetzt kommt das komplizierte Kleingedruckte“, erklärte Umweltministerin Hendricks. In Bonn sollen die Weichen für eine Art Regelbuch gestellt werden, in dem festgelegt ist, wie die Umsetzung und Nachbesserung der nationalen Klimaschutzziele gelingen kann – und zwar für alle vergleichbar und überprüfbar.

Das Dilemma ist: Würde es bei den derzeitigen nationalen Klimaschutzzielen bleiben, läge das Zwei-Grad-Ziel in weiter Ferne. Die neuesten Studien sprechen von einer Erderwärmung von drei bis vier Grad. Auch Deutschland liegt nicht auf Kurs, wie die Umweltministerin offen einräumt: „Das Ziel, die Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, stammt aus dem Jahr 2007. Jetzt sehen wir, dass maximal 32,5 Prozent möglich sind. Diese Lücke müssen wir schließen.“ Auf 38 Prozent könne man jedenfalls kommen, wenn jetzt die richtigen Weichen gestellt werden, sagt sie mit Blick auf die laufenden Jamaika-Sondierungen in Berlin: „Die neue Regierung muss 2018 Entscheidungen zum Kohleausstieg treffen, das steht so im Klimaschutzplan, den wir beschlossen haben.“

„Klimaschutz darf kein Schreckgespenst sein“

Aber Brüche müssten vermieden, die betroffenen Menschen und Unternehmen müssten mitgenommen werden bei dem nötigen Strukturwandel, auch mit finanzieller Hilfe des Bundes. „Klimaschutz darf kein Schreckgespenst sein“, mahnt sie. Vor allem aber: Ein Ausstieg aus der Kohle dürfe nicht Anlass für andere Bereiche wie Verkehr und Landwirtschaft sein, sich zurückzulehnen und beim Klimaschutz nichts zu tun. Für Hendricks steht fest: Langfristig bleibt es beim Ziel, des CO2-Ausstoß Deutschlands bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren.

Da bleibt noch viel zu tun. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will dabei mitmachen: „Wir rütteln nicht an Paris. Da sind wir alle einer Meinung.“ Aber eine klare Aussage zum Kohleausstieg scheut er dann doch: „Wir dürfen uns nicht nur auf die Kohle fokussieren“, sagt er am Rande der Konferenz, „wir haben einen umfassenden Ansatz. Jeder kann etwas tun.“ Und dann hat er noch einen Seitenhieb für die FDP übrig: Wenn in den Jamaika-Sondierungsgesprächen gewarnt werde, Klimaschutz gefährde die Wirtschaft, dann sei das Unsinn: „Das Gegenteil ist der Fall. Klimaschutz schafft Arbeitsplätze, global und bei uns.“

Für den Entwicklungsminister ist Klimaschutz aber auch eine Frage der Gerechtigkeit, eine „ethische und moralische Herausforderung“. Er begründet das mit einem einfachen Beispiel: In den Industrienationen betrage der Ausstoß an CO2 pro Kopf und Jahr 9,5 Tonnen, in Ländern wie Äthiopien, die jetzt schon unter den Folgen des Klimawandels leiden, liege der Ausstoß unter einer Tonne.

Und so überrascht es nicht, dass sowohl Müller als auch Hendricks am Montag neues Geld zusagen, um arme Länder bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Müllers Entwicklungsministerium gibt 50 Millionen Euro in den Least Developed Countries Fund (LDCF), Hendricks verkündet publikumswirksam in ihrer Rede bei der Eröffnung, dass Deutschland erneut 50 Millionen Euro für den Klima-Anpassungsfonds zur Verfügung stellt. Mit dann insgesamt 240 Millionen Euro ist Deutschland der größte bilaterale Geber für den Fonds, der vor allem von Entwicklungsländern besonders geschätzt wird. Denn es ist der einzige internationale Fonds, in dessen Board die Entwicklungsländer eine Mehrheit haben. Entsprechend positiv wurde die Ankündigung der Ministerin vom Konferenzplenum registriert.

Kein Dominoeffekt durch Trumps Ankündigung

Es war ein wohlgesetztes Zeichen von Hendricks, denn die Finanzfragen gehören neben dem Regelbuch zu den großen Themen der Konferenz in Bonn. Und der Anpassungsfonds steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Denn er ist eigentlich ein Instrument des Kyoto-Protokolls, das aber nach 2020 praktisch keine Bedeutung mehr hat. Damit der Fonds dauerhaft etabliert wird, müsste er ins Pariser Abkommen überführt werden – dazu in Bonn schon die ersten Schritte gemacht werden, wäre das schon ein großer Erfolg.

Ein ganz anderes Erfolgserlebnis hatte die internationale Klimaschutzgemeinde schon vor der Konferenz eingefahren: Die Sorgen, dass die Ankündigung von Donald Trump, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, einen Dominoeffekt auslösen könnte, haben sich als gegenstandslos erwiesen. Nach Bonn ist auch eine große Zahl von US-Vertretern – darunter Gouverneure, Bürgermeister, Prominente – angereist, die deutlich machen wollen, dass der US-Klimaschutz trotz Trump weitergeht.

Für Langzeitbeobachter der Klimaschutzbühne stellt sich bei diesem Thema ohnehin ein Déjà-vu-Effekt ein: Im Sommer 2001 sollte in Bonn auf der sechsten UN-Klimakonferenz der Weg für die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls freigemacht werden. US-Präsident George W. Bush war einige Monate zuvor aus dem Klimazug ausgestiegen und hatte das Protokoll für tot erklärt. Am Ende trat es trotzdem in Kraft.

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