Attentäter wollte Nagelbombe im Hauptbahnhof zünden Brüssel hat Glück gehabt

Brüssel · Die belgische Hauptstadt entgeht nur knapp einem verheerendem Anschlag. Das Sicherheitskabinett hält es für unnötig, die höchste Terrorwarnstufe auszurufen. Doch Armee, die seit den Anschlägen vom 22. März 2016 in Brüssel alle sensiblen Gebäude und Verkehrsknotenpunkte bewacht, wird verstärkt.

 Soldaten patroulieren am Tag nach der Explosion im Zentralbahnhof in Brüssel.

Soldaten patroulieren am Tag nach der Explosion im Zentralbahnhof in Brüssel.

Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Am Morgen nach dem vereitelten Anschlag in Brüssel zieht Eric Van der Sijpt ein nüchternes Fazit: „Der Täter wollte mehr Schaden anrichten, als er es getan hat“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft in der belgischen Hauptstadt. „Zum Glück wurde niemand verletzt.“ Wie viel Glück die vielen Hundert Menschen hatten, die am Dienstagabend im Hauptbahnhof unterwegs waren, stellte sich erst heraus, als die Ermittlungen am Mittwoch offengelegt wurden.

Um 20.45 Uhr, so rekonstruierte die Staatsanwaltschaft den Ablauf, explodiert in den Gängen unterhalb des Bahnhofsgebäudes ein Koffer. Es gibt eine Stichflamme, die der 23-jährige Rémy Bonnaffé, ein Anwalt aus Gent, mit dem Mobiltelefon fotografiert. Die Verpuffung sieht harmlos aus. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiß: In dem Koffer befanden sich mehrere Gasflaschen und kiloweise Nägel. Eine Detonation hätte in den Gängen mit den niedrigen Decken viele Menschen getroffen und möglicherweise Todesopfer gefordert. Doch ein technischer Defekt verhindert, dass es zu dem Anschlag kommt, den der 36-jährige mutmaßliche Täter, ein Mann mit marokkanischen Wurzeln aus der Hauptstadtgemeinde Molenbeek, offenbar geplant hatte.

Doch auch diese Explosion reicht, um eine Panik auszulösen. Hunderte Menschen laufen schreiend ins Freie, die schwer bewaffneten Soldaten stürmen stattdessen in das Gebäude und schießen mehrfach auf den mutmaßlichen Täter. Man lässt ihn noch lange am Boden liegen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass er einen Sprengstoffgürtel trägt. Erst später wird er in ein Krankenhaus gebracht, wo er im Laufe der Nacht stirbt. Seine Identität, so betont Innenminister Jan Jambon am Morgen, sei bekannt, werde mit Blick auf laufende Ermittlungen aber noch zurückgehalten.

„Wir behandeln das als Terroranschlag“, hat Van der Sijpt bereits am Abend erklärt. Rund um den Zentralbahnhof wird alles abgesperrt. Brüssels wichtigstes Touristenzentrum, der Grand Place, aber hat weiter geöffnet. Es ist ein lauer Sommerabend, niemand will eine Panik in der Innenstadt riskieren. Das Chaos spielt sich weiter außerhalb ab. Unmittelbar nach der Tat unterbrechen die Sicherheitsbehörden nicht nur alle Zugverbindungen zum Zentralbahnhof, sondern auch die großen internationalen Linien nach Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Großbritannien. Erst am Morgen läuft der Zugverkehr für einige Stunden wieder normal, bis die nächste Hiobsbotschaft eintrifft: Nach der Entdeckung eines verdächtigen Gepäckstückes lässt die Polizei den Bahnhof des Brüsseler Vorortes Namur räumen. Der Alarm kann erst Stunden später aufgehoben werden.

Premierminister Charles Michel dankt den Soldaten, die sofort entschlossen gegen den Täter vorgegangen waren und ihn „neutralisiert“ hatten. Das Sicherheitskabinett hält es für unnötig, die höchste Terrorwarnstufe vier („Anschlag steht unmittelbar bevor“) auszurufen. Doch die schwer bewaffnete Armee, die seit den Anschlägen vom 22. März 2016 in Brüssel alle sensiblen Gebäude und Verkehrsknotenpunkte bewacht, wird verstärkt. Damals waren 32 Menschen durch Bomben am Flughafen und in einem Metro-Zug ums Leben gekommen. Dieses Mal hat Brüssel Glück gehabt.

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