Zugang zu riesigen Datenmengen Britische Massenüberwachung von Internet-Daten rechtswidrig

Straßburg · Nach den Enthüllungen von Edward Snowden war die Empörung groß: Der britische Geheimdienst zweigte riesige Mengen von Kommunikationsdaten ab und filterte sie auf Terrorhinweise. Das hätte so nicht geschehen dürfen. Aber: Sind Rechte von Internetnutzern heute besser geschützt?

 Das System, mit dem sich der britische Geheimdienst Zugang zu riesigen Datenmengen verschaffte, habe gegen das Recht auf Privatleben und auf freie Meinungsäußerung verstoßen, heißt es in dem Urteil.

Das System, mit dem sich der britische Geheimdienst Zugang zu riesigen Datenmengen verschaffte, habe gegen das Recht auf Privatleben und auf freie Meinungsäußerung verstoßen, heißt es in dem Urteil.

Foto: Ralf Hirschberger

Das britische System zur massenhaften Überwachung von Kommunikationsdaten hat in Teilen die Menschenrechte von Internetnutzern verletzt. Zu diesem Urteil kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (Beschwerdenummer 58170/13 und andere).

Das System, mit dem sich der britische Geheimdienst Zugang zu riesigen Datenmengen verschaffte, habe gegen das Recht auf Privatleben und auf freie Meinungsäußerung verstoßen, heißt es in dem Urteil. In der Tatsache, dass die Daten auch mit US-Geheimdiensten geteilt wurden, sahen die Richter aber keinen Verstoß.

Eine Strafe droht London durch das Urteil nicht. Allerdings muss der britische Staat einigen der Beschwerdeführer einen Teil der Verfahrenskosten erstatten, insgesamt 185.000 Euro. Schadenersatzforderungen gab es nicht. Sowohl London als auch die Beschwerdeführer - Bürgerrechtsorganisationen und Journalisten - können das Urteil noch innerhalb von drei Monaten anfechten.

Der Ex-US-Geheimdienstler Edward Snowden hatte 2013 enthüllt, dass der britische Geheimdienst GCHQ in großem Umfang Informationen aus Kabeln abzweigte, über die die Kommunikationsdaten zwischen Großbritannien und den USA fließen. Die Erkenntnisse wurden zum Teil mit US-Geheimdiensten ausgetauscht.

Ob das britische System auch heute noch gegen die Rechte der Internetnutzer verstößt und damit eine Anpassung nötig ist, untersuchten die Richter nicht, wie ein Gerichtssprecher sagte. Es habe in der Zwischenzeit eine umfangreiche Gesetzesänderung gegeben, deren Auswirkungen noch nicht klar seien.

Das britische Innenministerium teilte am Donnerstag mit, inzwischen seien mehrstufige Verfahren eingeführt worden, um die Überwachung zu begrenzen. Zudem sei der Posten eines unabhängigen Beauftragten geschaffen worden, der die Einhaltung der Vorschriften kontrolliere.

Beschwert hatten sich Bürgerrechtler, Datenschützer und Journalisten, darunter die britische Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch. Deren Direktorin Silkie Carlo zeigte sich nach dem Richterspruch zufrieden. "Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung hat das Vereinigte Königreich eines der autoritärsten Überwachungssysteme der westlichen Staaten eingeführt", erklärte sie. "Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt, um Millionen von rechtschaffenen Bürgern vor ungerechtfertigten Eingriffen in ihr Privatleben zu schützen."

Das Gericht stellte klar, dass eine Massenüberwachung von Kommunikationsdaten nicht automatisch gegen die Menschenrechte verstoßen muss. Am britischen Vorgehen kritisieren die Richter jedoch die ungenügende Kontrolle der Mechanismen, nach denen die Daten abgezweigt und nach geheimdienstlich relevanten Inhalten durchsucht wurden. Potenziell könnten die Geheimdienste damit sehr viel über die persönlichen Gewohnheiten und Kontakte von Personen herausfinden. Insgesamt bestehe eine Verletzung des Rechts auf Privatleben.

Außerdem habe die Massenüberwachung in Großbritannien die Pressefreiheit beschnitten. In den entsprechenden früheren gesetzlichen Regeln seien keinerlei Schutzmechanismen für Journalisten und deren Quellen erwähnt. Damit habe die Möglichkeit bestanden, vertrauliches journalistisches Material absichtlich herauszufiltern und zu untersuchen. Das stelle eine Verletzung des Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung dar, urteilten die Richter.

Dass abgezweigte Informationen auch mit US-Geheimdiensten geteilt wurden, sei hingegen rechtens gewesen. Die Regeln dafür seien ausreichend klar formuliert gewesen. Anzeichen für Missbrauch gebe es nicht.

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