Treffen in London Johnson und von der Leyen tauschen sich über Brexit aus

London. · EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen trifft den britischen Premierminister Boris Johnson in London. Es geht vor allem um die Rahmenbedingungen des Brexit. Künftige Problemfelder zeichnen sich dabei schon jetzt ab.

 2016 in Bahrain: Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der damalige britische Außenminister Boris Johnson.

2016 in Bahrain: Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der damalige britische Außenminister Boris Johnson.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Noch bevor Ursula von der Leyen ihren Antrittsbesuch in der Downing Street machte und erstmals Premierminister Boris Johnson traf, kehrte sie zu ihrer alten Alma Mater zurück. Als 20-Jährige hatte die frühere deutsche Verteidigungsministerin 1978 ein Jahr lang an der „London School of Economics“ studiert. Am Mittwoch hielt die neue EU-Kommissionspräsidentin an der LSE eine Rede aus Anlass des Brexit. „Alte Freunde, neue Anfänge“, hieß der Titel, und es ging um den „Aufbau einer neuen Zukunft für die Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien“.

Natürlich wünscht sich die EU, dass die bilateralen Beziehungen so eng wie möglich bleiben. Der Brexit sei kein Ende, argumentierte von der Leyen, sondern ein Beginn. Man stehe zusammen im gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel. Eine Sicherheitspartnerschaft sei ebenso zentral wie der Erhalt von Verkehrsverbindungen, die Zusammenarbeit in der Wissenschaft oder die Bekämpfung des Terrorismus. „Wenn die Sonne am 1. Februar aufgeht“, also am Tag nach dem EU-Austritt, rief die Kommissionspräsidentin, „werden die EU und Großbritannien immer noch die besten Freunde und Partner sein!“

Natürlich wünscht sich auch Boris Johnson die besten Beziehungen. Der Premierminister, sagte sein Sprecher, unterstreiche „die Bedeutung, ein zuversichtliches und positives künftiges Verhältnis zu vereinbaren“. Johnson unterrichtete von der Leyen über den Fortschritt bei der Ratifizierung des Austrittsabkommens. Das Unterhaus berät zur Zeit das entsprechende Gesetz. Aufgrund der klaren parlamentarischen Mehrheit der Regierung gibt es nun keinen Zweifel mehr, dass Großbritannien am Ende des Monats fristgerecht die EU verlassen wird. Danach beginnt eine elfmonatige Übergangsphase, in der das Königreich de facto im Binnenmarkt und alles beim Alten bleibt, während die Verhandlungen über die künftige Beziehung beginnen.

Das Treffen in der Downing Street bedeutete nicht den Anfang von konkreten Verhandlungen. Die können erst beginnen, wenn die EU den Chefunterhändler Michel Barnier bis Ende Februar mit einem Verhandlungsmandat beauftragt hat. Aber über die Rahmenbedingungen hat man sich am Mittwoch schon verständigt. Johnson will bis Ende 2020 „ein ambitioniertes Freihandelsabkommen“ erreichen. Dabei soll es, betonte der Premier, keine Verlängerung geben: Man habe gesetzlich festgelegt, dass am Endtermin der Übergangsphase vom 31. Dezember 2020 nicht mehr zu rütteln ist. Ist diese Messlatte schon sehr hochgelegt – denn normalerweise dauert die Vereinbarung eines Freihandelsabkommens mehrere Jahre – so macht eine andere Forderung von Johnson noch mehr Probleme. Die Verhandlungen, unterstrich er, würden auf ein ambitioniertes Freihandelsabkommen und „nicht auf Angleichung gegründet“.

Johnson meint damit, dass er sich vorbehalten will, von Produktstandards, Umweltvorschriften oder Arbeitnehmerrechten abweichen zu können. Er sieht in der „regulatorischen Divergenz“ die große Chance des Brexit: Indem Großbritannien in bestimmten Bereichen europäische Vorschriften nicht mehr befolgen will, kann es dem Binnenmarkt Konkurrenz machen. Freilich wird sich die EU nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Ohne ein „level playing field“ sagte von der Leyen, also ohne ähnliche Regularien bei der Besteuerung oder der Umwelt, bei Staatshilfen oder der Beschäftigung, die faire Wettbewerbsbedingungen garantieren, „kann man nicht einen Zugang von höchster Qualität zum größten Binnenmarkt der Welt haben.“ Das ist ein deutlicher Warnschuss. Bei allen warmen Worten, die von der Leyen zum bilateralen Verhältnis fand, machte sie klar, dass die zukünftigen Beziehungen „so eng wie vorher weder sein können noch sein werden.“

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